Willkommen in meinem Land

23.02.2009 - Stefanie Claudia Müller - scm-communication 

"Willkommen in meinem Land", so begrüßte Josep Lluís Carod-Rovira, Vizepräsident der katalanischen Regierung, jüngst deutsche Führungskräfte in einer kleineren Runde - natürlich in Katalanisch. Was einige Zuhörer direkt murmeln lässt: "Wenn das so weitergeht, dann bin ich sofort weg." Der 56-Jährige hat hier wenig Freunde, das ist klar. Deutsche Unternehmer sind genervt von den Sprachreglungen in Katalonien, die er maßgeblich mit zu verantworten hat.

Aber nicht nur das, viele stört auch, dass die Region nicht die wirklichen Probleme anpackt, wie die Abwanderung der Industrie, sondern Leute wie Carod-Rovira sich immer nur selber reden hören wollen, sie an alten Denkmustern festhalten. Katalonien ist gemäß der neuen Verfassung tatsächlich eine Nation, auch wenn das für uns Deutsche sehr komisch klingt, aber natürlich ist Katalonien deswegen kein eigenes Land, auch wenn der Führer der separatistischen Esquerra Republicana davon träumt.

Und dass er sein Land liebt, das macht Carod-Rovira immer wieder klar, so sehr, dass er blind ist für die wahren Probleme, glauben viele vor Ort ansässige Unternehmer. Kaum ein Akt des Kreises der deutschen Führungskräfte in Barcelona erregte deswegen so das Interesse wie dieser Gast, der Rede und Antwort stehen wollte, sich aber doch nur in seinen theoretischen Groß-Katalonien-Theorien auskannte - von Wirtschaft hat er keine Ahnung, wie er wieder einmal bewies. Oder er ist einfach nur ignorant, blind vor Liebe zu seiner Sprache.

Auf die Frage, ob es ihn nicht störe, dass die immer strengeren Sprachregelung viele Arbeitsplätze in Katalonien zerstörten, da viele Unternehmen genervt einen anderen Standort suchten, zum Beispiel Madrid, wo für viele das Geschäftsleben auch aus anderen Gründen einfacherer scheint, antwortet er lapidar: "Es ist nicht leicht, seine eigene Sprache durchzusetzen, aber wenn ich nach Deutschland gehen würde, müßte ich doch auch Deutsch sprechen." Schmunzeln und laute Proteste im Publikum. Was für ein Vergleich!

Es bestreitet ja niemand, dass die Katalanen ein Recht auf ihre eigene Sprache, ihre eigene Kultur und viele wirtschaftliche Freiheiten haben, schließlich hatten sie in der Geschichte immer viele Privilegien und auch unter den "Katholischen Königen" galt ihre Sprache als eine der zwei Amtssprachen. Aber wir leben heute im Jahr 2009, in einer multikulturellen Welt, eingebettet in Europa und de facto ist Katalonien ein Teil Spaniens, könnte anders gar nicht überleben. Auch Barcelona ohne Verbindung nach Madrid, jetzt mit dem schnellen und sehr pünktlichen AVE, ist für die meisten Firmen undenkbar. Die Metropolen gehören zusammen, auch wenn sie das beide nicht zugeben. So entstehen viele Initiativen, die gegeneinander statt zusammen arbeiten.

Für Carod-Rovira ist jedoch jede Kritik oder jegliches Argumentieren in diese Richtung pure Provokation, ein Angriff auf die eigene Kultur, den Status Quo, aber vielleicht auch nur auf seine eigene Rolle. Denn viel mehr als die Katalanische Philologie, die er studiert hat, scheint der Mann nicht auf dem Kasten zu haben. Zum Beispiel hakt er bei der Frage nach der Abwanderung aus der autonomen Region nach: "Welche Region meinen Sie? Die Region um Barcelona oder wie soll ich das verstehen?." Katalonien sei ja schließlich ein Land, sein Land, meint er wohl. Statt wie Jordi Pujol es machte, den Unternehmern die Hand zu reichen, reitet er nur auf Theorien rum und scheint so verbohrt in seinem Fanatismus, dass er nicht sieht, welchen Schaden er dem "Land" zufügt.

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