Auto, geliebtes Auto!

19.12.2011 - Carsten Nietschke  

Immer wieder sehe ich morgens bevor ich ins Büro oder zu meinen Kunden fahre, die Grosse Glocke die über Madrid hängt. Gut sieht es nicht aus, und es ist sicherlich noch schlimmer als es aussieht. Mich erschüttert dann ein Kommentar von der Concejala de Medioambiente de Madrid Ana Botella "la Crisis afixia más"... Wo sind wir bloss gelandet? Die Krise ist das eine und das andere ist, dass wir uns gegenseitig vergiften.

Es ist schade das man gerade an diesem Punkt wieder mal merkt das in Spanien die Uhren schlicht und ergreifend anders ticken. Das Auto ist heilig, und auch wenn es seltsam klingt, heiliger als im Mecca des Autos, Deutschland. Ich will mich von dem nicht ausschliessen, ich versuche für mich und meine Umstände den besten Kompromiss zu schliessen. Aber allein die Tatsache, dass man in Madrid, wo die Luftverschmutzung schon fast chronisch ist nicht über Massnahmen nachdenkt, ist schon traurig. Warum ist es selbst in Mailand möglich gewesen, dass der private Autoverkehr verboten wurde, weil die Luftwerte einfach zu schlecht waren und in Madrid von solchen Massnahmen kein Wort? Es war meines Wissens nach noch nie populär den Autoverkehr zu verbieten, doch wenn es in anderen Metropolen funktionierte, warum dann nicht hier?
Hier ist das Auto noch mehr als meiner Meinung nach in Deutschland ein Statussymbol. Es ist halt wichtig das der Nachbar sehen kann, dass man einen Audi, BMW oder Mercedes fährt. Und dann noch wichtiger für alle die Ihre Kinder zur Schule fahren (ich meine oftmals das es 80 und mehr der Eltern sind), dass es ein Geländewagen ist, damit die Kinder auch sicher in die Schule kommen. Als ich mal aus Neugier (habe selber keine Kinder) gefragt habe, warum sie denn nicht mit dem Bus fahren oder mit dem Fahrrad (Majadahonda) gab es diese Anworten: "Du weisst nicht was hier in Spanien schon alles passiert ist", "Ein Kind kann hier nicht alleine Busfahren"... Das 'warum' meiner nächsten Frage wurde dann meist mit der gleichen Antwort begründet: "Das ist zu gefährlich". Vielleicht kann ich es einfach nicht beurteilen aber ich kann mir schwer vorstellen, dass es in Spanien gefährlicher ist mit dem Bus zu fahren, als in Deutschland.
In London wurde die Maut eingeführt, um mit dem Auto in die Stadt fahren zu können. Das hat nun 2 grosse Vorteile die auch für Madrid sehr interessant sein könnten. 1. Es kommt Geld in die Kasse. Nicht nur könnte es Madrid sehr gut gebrauchen es würde auch für eine gewisse Gerechtigkeit sorgen. 2. Es ist leider bekannt das Geld ein guter Motivator ist. Wenn das in die Stadt fahren mit dem eigenem Auto teuer wird, dann wird vielleicht der öffentliche Nahverkehr (der übrigens in Madrid von sehr guter Qualität und sehr günstig ist) mehr genutzt, wenn dazu noch endlich mal für einen fliessenden Verkehr gesorgt wird und rigoros gegen 2. Reihe Parken (ausreden wie "Estoy solamente cogiendo el periódico" oder das sehr beliebte "Estoy trabajando" gelten dann nicht mehr) würde auch dafür sorgen, dass die Umweltverschmutzung zurückgeht.

Aber für solche Massnahmen die uns alle betreffen, müssten wir zuerst unsere Gewohnheiten ändern und bräuchten zudem noch Politiker, die sowohl Weitsicht haben als auch Mut. Sowohl bei der PSOE als auch bei der PP sind meiner Meinung nach beide Werte Mangelware. Vorsicht: Auf keinen Fall gehöre ich zu denen die Auto 'Nein Danke' sagen. Allerdings schon zu denen die meinen das man das Auto sinnvoll einsetzen muss. Ich bin gespannt was bei der nächten Regierung passiert, aber wenn Ana Botella wirklich Bürgermeisterin werden sollte, glaube ich das uns nichts Gutes bevorsteht.

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