Carteros

16.09.2008 - Judith de la Vega, Dipl.-Kauffrau 

Jeder kann es sicherlich nachvollziehen, wenn ich sage, dass ich es liebe, Post zu bekommen. Ich spreche nicht von Rechnungen oder Werbepost. Sondern von persönlicher Post wie Briefen, Geburtstagskarten oder Urlaubskarten. Heute freue ich mich noch mehr als früher, denn im Zeitalter der Emails, Blogs, Smartphones und Skype einen Brief oder gar ein Paket zu erhalten lässt mich fühlen, da denkt einer an mich.
Ich liebe es also Post zu bekommen, und dies seit ich im Ausland lebe noch viel mehr. Das bringt einem die alte Heimat doch näher, oder? Das kann sicher auch jeder verstehen. 

Umso mehr ärgert es mich also, wenn meine Post nicht ankommt.
Wenn ich auf ein angekündigtes Einschreiben warte und nach 8 Wochen eine Nachforschungsauftrag stellen muss. Der dazu dann noch im Sande verläuft.
Wenn ich meinen kleinen Töchtern erklären muss, das sich der Postbote mit dem angekündigte Überraschungbrief von Opi & Omi anscheinend auf dem Weg zu uns „verfahren“ hat.
Wenn ich Post in meinem Briefkasten finde, der den Nachbarn 5 Häuser weiter hoch die Straße gehört. 
Ja, ich weiß, in Spanien hat niemand ein Namenschild an der Klingel oder am Briefkasten, dafür aber sind die Hausnummern doch einfach zu lesen, oder?

Meine in Südamerika aufgewachsene Schwiegermutter erklärte mir Anfang des Jahres, mein Problem mit der unzuverlässigen Postbotin sei sicher hausgemacht. Wie jetzt? Ja, ihre Schusseligkeit sei ganz sicher dem fehlenden Geldgeschenk zu den „Reyes“ zuzuschreiben. Wie bitte? Ich soll diese unfähige Tante beschenken, mich für Ihren miesen Service auch noch bedanken? Aber Judith, sagt meine Schwiegi, überleg doch, damit köderst Du sie – denn nächstes Jahr spekuliert sie dann auf das Geld und wird sich dafür besonders anstrengen!
Diese südamerikanische Lebensweisheit habe ich erst einmal, als sich nicht mit meiner Lebensphilosophie deckend, beiseite geschoben.

Das war im März. Nun ist September und ich besinne mich des Gespräches. Der Grund ist, heute habe ich das letzte Mal den Briefkasten meiner Nachbarn zur Linken geleert, die waren für zwei Wochen in Urlaub.
In diesen zwei Wochen habe ich zweimal Post für mich und meinen Mann in deren Briefkasten gefunden. Ich traue mich gar nicht, das auf die 52 Wochen des Jahres hochzurechnen und statistisch auswerten. Ich erinnere mich aber nun wieder, dass ich auch bereits öfters Post aus unserem Briefkasten hatte, die an die Nachbarn zur Rechten, adressiert war. Und für die Nachbarn 5 Häuser die Straße weiter hoch ja auch.
Das erhöht die grauenhafte Statistik ja noch mehr.

Ich erwarte bald wieder wichtige Post aus Deutschland. Leider ist erst September, nun heißt es, sich bis zu den nächsten „Reyes“ zu gedulden. 
Aber vorsorglich habe ich mir heute bereits in meinen Wandkalender für Dezember eine Notiz gemacht: „Postbotin Weihnachten“. 

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