Das besondere Verhältnis von Katalanen zu Spanien

14.08.2012 - Johannes Breunig / Barcelona für Deutsche 

Wie ist denn das Verhältnis der Katalanen zu Spanien? Keineswegs problemlos und entspannt! Die Katalanen fühlen sich unterdrückt und streben ein unabhängiges Katalonien an, wollen eine eigenständige Nation sein. Spanien hingegen versucht, die Eigenständigkeit zu reduzieren.

Um die separatistischen Bestrebungen der Katalanen zu verstehen, muss ein Blick auf die katalanische Geschichte geworfen werden:

Bereits seit dem frühen Mittelalter war Katalonien politisch und wirtschaftlich unabhängig. Diese Eigenständigkeit endete am 14. September 1714 mit der Kapitulation nach der Niederlage im Spanischen Erbfolgekrieg (1700 - 1713). Seitdem ist dieser Tag der katalanische Nationalfeiertag. Heute gedenkt man aller getöteten Soldaten und feiert, dass die katalanische Kultur und Sprache trotz aller Widrigkeiten bis heute überlebt hat und lebendig geblieben ist.


Die jüngere Geschichte


Nach über 200 Jahren Unterdrückung erhielt Katalonien 1931 endlich wieder eine provisorische Autonomie, die nur bis 1939 dauerte. In dieser Zeit erlebte die Region eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte, die nach dem Spanischen Bürgerkrieg durch Diktator Franco brutal beendet wurde. Katalanisches Denken und Fühlen sollte vollkommen ausradiert werden. Nach dem Tode Francos und mit der neuen demokratischen Verfassung erhielt die Region 1978/79 ihre Autonomie zurück.

Mit dem Autonomiestatut verbunden sind umfassende Kompetenzen und Befugnisse hinsichtlich Gesetzgebung, Verwaltung sowie eine eigene Polizeieinheit, die nach und nach die spanische Polizei auf katalanischem Gebiet ablöste. Auch die Wirtschafts-, Bildungs- und Gesundheitspolitik wird von den Katalanen selbst bestimmt. Das Autonomiestatut wurde 2006 noch erweitert.

Katalonien ist eine wirtschaftlich starke Region. Es ist hoch industrialisiert, betreibt einen ausgeprägten Weinanbau und liefert weltweit seine bekannten Weine und Sekte, und nicht zuletzt spielt der Tourismus eine ganz wichtige Rolle. Trotzdem ist Katalonien hoch verschuldet, denn der größte Teil der Steuereinnahmen fließt in die spanische Hauptstadt Madrid. Um einen besseren Finanzausgleich wird Jahr für Jahr gerungen.

Im 20. Jahrhundert strömten Spanier aus den ärmeren Regionen als Gastarbeiter nach Katalonien, heute ist auch hier die Arbeitslosigkeit hoch. Sie liegt bei etwa 17 bis 18 und ist damit aber immer noch niedriger als in den übrigen Regionen Spaniens.

Neuer Zündstoff für Auseinandersetzungen ist ein Urteil des spanischen Verfassungsgerichts, das die Erweiterung aus dem Jahr 2006 für nichtig erklärte und ein eigenes Justizsystem für Katalonien ablehnt. Außerdem darf Katalanisch als Amtssprache nicht den Vorrang vor Spanisch bekommen.


Ein Blick in die Glaskugel

Noch halten sich die Stimmen für oder gegen eine Loslösung von Spanien die Waage, der Anteil der Unentschlossenen ist relativ hoch.Was passiert, wenn dieses Gleichgewicht eines Tages kippt, und die Mehrzahl der Katalanen für ein unabhängiges Katalonien stimmt? Vermutlich eine ähnliche Situation wie im Baskenland, und dann reichen die Ventile in Form eines Fußballspiels zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid sicher nicht mehr aus.

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