Die Macht des Wortes

29.11.2010 - Robin Hartmann 

Dass sich die traditionellen, vor allem die Printmedien, sich seit längerem auf einer Talfahrt befinden, ist leider kein Geheimnis. Die Zeitungen kämpfen kurzfristig mit einem Anzeigen-, sprich Werbeschwund, langfristig laufen ihnen immer mehr Leser davon. Der Tenor: warum soll man noch für etwas bezahlen, was man im Internet bereits umsonst bekommt, und dazu oft noch schneller und umfassender?

Eine Abwärtsspirale ist damit in Gang geraten, gibt es doch eine nicht von der Hand zu weisende Relation zwischen Anzeigen und Auflagen: eine Zeitung mit einer hohen Reichweite kann verständlicherweise höhere Werbepreise verlangen, als ein nur regional bekanntes Blatt – die entsprechende Anzeige werden aufgrund der höheren Reichweite mehr Leute wahr nehmen, der Werbeeffekt steigt. Wie auch die Mehreinnahmen der entsprechenden Zeitung, welche sie dann wiederum in die Auflage investieren kann. Das senkt die Stückkosten bei der Produktion, was dann wiederum einer höheren Auflage zugute kommt. Lesen aber weniger Menschen die Zeitung, wird der Trend natürlich umgekehrt.

Die Folge: in den USA wurden einige Traditionszeitungen bereits eingestellt, Redaktionen radikal verkleinert, Mitarbeiter entlassen. In Deutschland ein ähnliches Bild, immer mehr Zeitungen verschwinden oder werden in sogenannten publizistischen Einheiten vereinnahmt.

Höchste Zeit also, auf dem „VIII. Tag des Journalismus“ in Madrid die Frage zu klären: Wie finanziert sich Information? Böse Zungen könnten jetzt behaupten: Dank Coca-Cola, seit der ersten Veranstaltung der Sponsor der Journalisten, den sie denn auch nicht müde wurden lobend zu erwähnen- ein sehr fader Beigeschmack für eine ansonsten hochklassige Diskussion, bei der der Tenor lautete: Wir brauchen jetzt erst recht Qualität, aber Qualität ist nun mal teuer! Unstrittig ist es leider billiger, Kosten zu sparen, dafür aber schlechtere Qualität zu liefern – ein Faktor, den der durchschnittliche Internetuser mit seinem ohnehin nervösen Klickfinger wohl kaum bemerken dürfte. Der klassische Zeitungskonsument allerdings sieht sich durch solche Maßnahmen enttäuscht. Man müsse Versuche zur Steigerung der Qualität daher nicht als Ausgaben betrachten, sondern viel mehr als Investition. Gleichwohl scheint dieses Problem eines vor allem von Europa und den Vereinigten Staaten zu sein, Asien und Lateinamerika haben einen anderen, weitaus potenteren Zeitungsmarkt.

Das größte Problem seien Chancenungleichheiten auf dem Markt, eine verständliche Sorge, betrachte man einmal den deutschsprachigen Raum: klassische Zeitungen und auch Zeitschriften leiden nicht nur unter Einbußen, sondern auch zunehmend unter dem Druck des so genannten Corporate Publishing: heraus gegeben oft von Firmen oder Privatinvestoren, überschwemmen sie in einer zweistelligen Millionenauflage wöchentlich das Land und gewinnen aufgrund ihrer hohen Reichweite immer mehr an Qualität (wir erinnern uns an die Anzeigen-Auflagen-Spirale). Das Problem: der durchschnittliche Leser kann nicht immer zwischen Journalismus und Corporate Publishing unterscheiden, denn letztere kommen ja ganz gezielt wie journalistische Produkte daher: Reportagen, Interviews, eine dezente Note Selbstbeweihräucherung beziehungsweise Werbung, die in den Medien eigentlich immer von der Redaktion getrennt bleiben sollte.

Allerdings gab es auch gute Nachrichten, so kämen 90 der Einnahmen der Verlage immer noch aus dem Verkauf von Zeitungen. Lobend erwähnt wurde hierbei auch das Modell der Wochenzeitungen, die besonders in Deutschland eine kleine Erfolgsgeschichte verbuchen können und gegen jeden Trend weiter wachsen, so zum Beispiel „Die Zeit“. Der Grund: in den hektischen Zeiten der Internetberichterstattung, in denen sich die Welt der Nachrichten jede Sekunde grundlegend verändern kann, wünschen sich die Leser mehr Ruhe, Übersicht und Einordnung. Die Zeitung soll wieder zur Orientierung und somit zur Meinungsbildung beitragen, ein hehres Ziel, mit dem sich leider Tageszeitungen in ihrem immer härter geführten Kampf um Aktualität und Auflagen oft überfordert sehen.

Es sind wichtige Themen, die an diesem Tag angesprochen werden, die Zeitungen haben Korrespondenten aus Schweden, den Niederlanden und Deutschland geschickt, um nur einige zu nennen. Ein Slogan wird dabei besonders häufig bemüht, unter anderem von Vizepräsident Alfredo Pérez Rubalcaba, der beim anschließenden Mittagessen eine sehr dezidierte und pointierte Rede hält, die großes Expertenwissen verrät: Die Medien der Gegenwart haben keine Zukunft? Aber die Medien der Zukunft haben doch auch keine Gegenwart!

Ein Statement, das deutlich die Berührungsängste dieser beiden Welten miteinander offenbart. Die alte Garde fürchtet um ihre Platzhirsch-Stellung, es geht um Prestige und Tradition. Die jungen Wilden verstehen die ganze Aufregung nicht, verlieren dabei aber leider auch schon mal früher als in Stein gemeißelt geltende ethische Standards des Journalismus ein wenig aus den Augen.

Dass aber beide Teile des vielzitierten Ausspruchs von Rubalcaba nicht stimmen müssen, beweisen einzelne Leuchttürme der Qualität wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Spiegel, sowohl gedruckt ALS AUCH im Internet und El País täglich aufs Neue. Qualität darf niemals eine Kostenfrage sein, sie ist der Grundanspruch jedes ehrlichen Journalisten. Hoffen wir, dass es so bleiben wird.

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