Ein Himmel voller Suppenschüsseln

07.09.2015 - Andreas Clevert 

Ich erinnere mich dunkel an die Zeit, als mir das mit der spanischen Frau an meiner Seite und deren kulturellem Umfeld auch noch alles sehr spanisch vorkam. Und manches Mal werde ich auch heute in unserer deutsch-spanischen Familie wieder daran erinnert.

Ich würde mal behaupten, dass die Essensfrage bei meinen Schwiegereltern in Madrid eine weitaus größere Rolle spielt als bei der Verwandtschaft in Deutschland. Ich habe in meiner frühen Spanienphase lange gebraucht, um zu verstehen, mit wem denn da meine damalige spanische Freundin und heutige Frau am Telefon sprach. Und das war nicht meinem eigentlich damals schon ganz ordentlichen Spanisch zuzuschreiben. Für mich hörte sich das an, als würde sie telefonisch mal wieder mit einem Restaurant die Speisekarte durchgehen und einen Menüvorschlag kreieren. Ich grübelte immer wieder über den Anlass für die Vorbereitung einer solch gastronomischen Festivität. Nach und nach kam mir aber die Erkenntnis, dass sie ganz einfach mit ihrer Mutter sprach. Was man gestern gegessen habe, was heute um Kochen ansteht und welche Zutaten man für morgen besorge. Die Essensfrage ist ein zentrales Element einer normalen, spanischen Konversation.

Zwischenzeitlich kulturell assimiliert rutschte mir mal in einem unkonzentrierten Moment eine solche Frage rund um das Essen am Telefon mit meinen schwäbischen Anverwandten raus. An der Stille am anderen Ende der Leitung merkte ich, dass mit Menühinweisen im Stuttgarter Raum nichts angefangen werden kann.

Ich kann das auch mit einer fiktiven Umfrage unter Deutschen und Spaniern belegen: 99,89 % der Spanier würden auf die Frage nach 'Vorwerk' mit dem Begriff 'Thermomix' antworten. Eine ebenso deutliche Mehrheit deutscherseits verbindet mit 'Vorwerk' nur Staubsauger.

So zeigte uns mal unser deutsch-spanischer Erstklässler mit seinen sechs Jahren stolz sein selbst gemaltes Bild, das mit vielen anderen an der Fensterfront seines Klassenzimmers hing. Klassenzimmer und Grundschule, das ist wichtig, befinden sich derzeit in Deutschland. Das Thema war im Übrigen: Wie stelle ich mir den Himmel vor.

Tja, da kamen so einige bunte, fröhlich Bilder zusammen. Und eins, das zeigte (auf Nachfrage beim Künstler): Suppenschüsseln. Einfach himmlisch, oder?

 

 

Andreas Clevert lebt mit seiner spanischen Frau und drei Jungs (7, 5 und 2,5 Jahre) in Bonn und Madrid. Er ist gefühlter Elterngeldveteran mit 36 Monaten Väterzeit und schreibt auch unter www.vaterdasein.wordpress.com

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