Hauptsache unabhängig

14.12.2009 - Clementine Kügler - Übersetzerin 

Die Balearen-Insel Ibiza fühlt sich unterdrückt von der Verwaltungszentrale Mallorca, die Balearen möchten unabhängig sein vom kulturellen Einfluss Kataloniens, Katalonien möchte aus dem spanischen Staatsgefüge ausbrechen. Aber es geht noch weiter: auf jeder Insel gibt es Dörfer, die sich gegeneinander abschotten, weil sie ihre Unabhängigkeit gefährdet sehen, dann kommen die Familien, die ihre Nachbarn nicht ertragen und innerhalb einer jeden Familie gibt es auch fast immer ein „schwarzes Schaf“, das da raus will, weil es seine Selbstverwirklichung eingeschränkt sieht.

Im Kleinen wie im Großen: warum ist es so schwer, zusammenzuleben und im Miteinander und Eingebundensein auszukommen? Das jahrelange mühsame Ausklamüsern eines Statuts für die große und wichtige Region Katalonien, die dreijährige Entscheidungsfindung des spanischen Verfassungsgerichtes über die Rechtmäßigkeit mancher Klauseln der vom Parlament längst angenommenen Verfassung, das Durchsickern von Informationen, die Gerüchteküche und die aufgeheizten Gemüter… ist das alles wirklich so entscheidend?

30 Prozent der katalanischen Bürger haben in den 167 Kommunen über die Möglichkeit der Unabhängigkeit abgestimmt. 91 Prozent der Teilnehmer stimmten für Catalunya als einen unabhängigen, demokratischen und sozialen Staat innerhalb der Europäischen Union, 3,5 Prozent waren dagegen. Zusammen mit den 70 Prozent, die nicht teilnahmen, scheinen also nicht so viele Menschen die Meinung Joan Laportas zu teilen, dass „Katalonien getötet würde und man reagieren müsse“ (El País, 13.12., S.19).

Der Wunsch nach politischer Unabhängigkeit des Baskenlandes, Sardiniens, der Westsahara oder Kataloniens wirkt anachronistisch, wenn man andererseits gerade ernsthaft damit beschäftigt ist, die Erde als Ganzes vor den Folgen einer weiteren Verschlimmerung des klimatologischen Bedingungen zu schützen oder die Menschen vor den Folgen weltweit ineinander verflochtener Geldgeschäfte. Wo immer deutlicher wird, dass auf großer Ebene zusammengearbeitet werden muss und es nicht darum gehen kann, hier Grenzen zuzumachen und beim Nachbarn die Sintflut…

Dass dieser Wunsch nach Unabhängigkeit anachronistisch wirkt, bedeutet aber nicht, ihn abzulehnen. Geben wir doch all diesen Völkchen ihren eigenen Staat. Am Ende kostet das alles viel Geld und aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen arbeitet man doch wieder zusammen. Am Ende sind dann alles bayerische Freistaaten!

Kommentare (0) :

Blog kommentieren
Blog-Archiv
  • 09.11.2020 [Kommentare: 2]

    Corona-Bombe

    „Kannst du Emma heute von der Schule abholen?”, erreichte mich unerwartet eine Nachricht von Emmas Vater Hugo, als ich erst gefühlte fünf Minuten im Büro war und noch nicht einmal ansatzweise ein Viertel meiner täglichen Festivalarbeit erledigt hatte.. Blog weiterlesen

  • 05.10.2020 [Kommentare: 0]

    Klassengesellschaft

    Neulich saßen wir mit unserem diesjährigen Festivalteam, das aus Luis, mir und drei Praktikanten besteht, in der Pause wieder in unserem Stammcafé in Alcalá, San Diego Coffee Corner, ein modernes Lokal an einer der Ecken der zentralen Plaza de los Ir.. Blog weiterlesen

  • 03.06.2020 [Kommentare: 0]

    Die Suche nach den Schuldigen

    Jetzt weiß ich, wieso ich während der Quarantäne nach Jahren endlich wieder gut und fest schlafen konnte, der Geräuschpegel war zehn Wochen lang deutlich niedriger. Am ersten Freitag in Phase 1 war wieder einiges los auf den Straßen Montecarmelos... Blog weiterlesen

  • 26.04.2019 [Kommentare: 0]

    Spanien bringt mich in Versuchung

    Schon seit fast einem Jahr bin ich zur vegetarischen Ernährung übergegangen, aus ethischen und ökologischen Gründen. Das heißt, ich versuche es zumindest. Mir war schon bewusst, dass es in Spanien etwas schwieriger werden würde – aber, dass ich so.. Blog weiterlesen

  • 04.02.2019 [Kommentare: 0]

    Die Chinos – eine Welt für sich

    Als ich neulich mit einer Freundin von Zuhause telefonierte, erwähnte ich beiläufig den Chino in meiner Straße. “Chino?” fragte sie. Ach ja – die Chinos haben wir ja in Deutschland gar nicht. Doch wie beschreibt man dieses “Phänomen” am besten? Die.. Blog weiterlesen

  • 14.01.2019 [Kommentare: 0]

    Es ist nie zu spät!

    Immer wieder die gleiche Diskussion: “¡A las 7 de la tarde no se cena!” – Um sieben Uhr nachmittags isst man noch kein Abendessen! “Ich hab aber jetzt schon Hunger!” “¡Es porque has comido hace horas!” - Du hast ja auch schon vor ‘ner Ewigkeit .. Blog weiterlesen

  • 08.08.2018 [Kommentare: 0]

    Im deutschen Exil – ganz scharf

    Manchmal lebt unsere Familie ja das deutsch-spanische Kauderwelsch. In sämtlichen Belangen. Sei es, dass der Nachwuchs sprachlich spanische Dörfer für mich auffährt: Papa, kannst Du mir endlich die Kuchenfarben bringen?? Was, wie?! [Papa sucht.. Blog weiterlesen

  • 04.07.2018 [Kommentare: 0]

    Von der WM zur Ahnenforschung

    Nach dem Ausscheiden der deutschen und nun der spanischen Nationalmannschaft wird es natürlich für unsere deutsch-spanische Familie ganz schwierig mit dem Weiterfiebern. Doch die Jungs halten ganz gut mit. Zu EM 2016-Zeiten nach dem Aus der Deutschen.. Blog weiterlesen

  • 27.11.2017 [Kommentare: 0]

    Rosamunde Pilcher im spanischen Fernsehen

    Als ich einmal an einem Nachmittag am Wochenende wahllos durch das spanische Fernsehprogramm zappe, werde ich plötzlich stutzig: Sind das nicht deutsche Schauspieler da auf dem Bildschirm? Heißt das etwa, dass ich mir gute deutsche Filme im.. Blog weiterlesen

  • 16.10.2017 [Kommentare: 0]

    Pendeln im Fernzug

    Es ist 06:42 Uhr und der Fernzug AVANT setzt seine Fahrt in Richtung Madrid nach einem kurzen Aufenthalt in Ciudad Real fort. Er ist fast komplett ausgebucht, aber von Chaos bei der Sitzplatzsuche keine Spur. „Wie praktisch! Ich muss ja gar nicht um.. Blog weiterlesen