Hinglotzen?

19.04.2008 - Jenna Steenken - Journalistin 

Heute hat es geregnet. Gestern auch, was ja prinzipiell etwas Gutes ist, meine Blumen und das, was vom Rasen übrig ist, bekommen Wasser und die Speicher für die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse werden auch, wenigstens nicht noch leerer. Die Luft wird reiner, der trockene Staub peinigt weder Rachen noch Augen, überall riecht es nach Jasmin und Frühling.

Was mir weniger gefällt am Regen, hat mit meiner dreieinhalbjährigen Tochter zu tun, oder besser, der Schule, in die sie geht. Seit September letzten Jahres ist sie auf einer kleinen, familiären katalanischen Klosterschule hier um die Ecke. Sie und damit auch wir sind super glücklich mit dieser Wahl, ihre Freunde wohnen in der Nähe, die Lehrerin ist jung und gut, sie lernt viel ohne überfordert zu sein, sie geht einfach gerne hin und das ist ja das Wichtigste.

Am Vormittag gegen halb elf darf jeder sein zweites kleines Frühstück auf dem Hof verdrücken, bevor dort für eine Stunde frei gespielt wird. Das tun sie aber nur, wenn das Wetter gut ist, was es ja ein Glück meistens ist. Wenn aber eben mal nicht, dann spielen sie nicht stattdessen auf dem großen, mit Spielzeug übersäten Flur, sondern sehen fern. Ich weiß nicht, ob das jetzt wieder was mit Kultur zu tun hat. Aber wahrscheinlich schon irgendwie. In Deutschland würde auf diese Idee auf jeden Fall vermutlich keiner kommen. Die Eltern würden auf die Barrikaden steigen und den Kindergärten wegen des ganzen Regens das Glotzmaterial ausgehen... 

Ich bin ja gar kein grundlegender Fernsehgegner. Beim besten Willen nicht. Aber, da sammeln sich die zwei Klassen P3 ja nun schon morgens vor dem Fernseher und warten zusammen mit den Teletubbies darauf, dass es im Gänsemarsch in die Klassen geht. Und dann eben immer noch mal hier und da zwischendurch, nicht täglich zwar, aber fester Bestandteil scheint es doch zu sein. Ich hätte in diesem Alter einfach schon gerne Einfluss auf das wie viel und was.

Für die anderen Mütter scheint dieses kein Problem darzustellen. Das gehört wohl einfach dazu und wird gar nicht in Frage gestellt. Und ich trau mich nicht, was zu sagen, weil es erstens wohl nichts bringt, so fest wie das hier in dem Plan und den Köpfen verankert scheint und weil ich zweitens nicht als die komische Ausländerin dastehen will, die an so was rummacht. Trotzdem ist es mir wichtig und ärgert mich immer wieder. Es führt dann leider dazu, dass ich sie zu Hause gar nicht mehr fernsehen lasse, weil ich immer denke, sie sieht ja schon genug in der Schule. Dabei hab ich doch so schöne Filmchen hier für sie. Pädagogisch wertvoll natürlich und wohl dosiert!...

Kommentare (0) :

Blog kommentieren
Blog-Archiv
  • 09.11.2020 [Kommentare: 2]

    Corona-Bombe

    „Kannst du Emma heute von der Schule abholen?”, erreichte mich unerwartet eine Nachricht von Emmas Vater Hugo, als ich erst gefühlte fünf Minuten im Büro war und noch nicht einmal ansatzweise ein Viertel meiner täglichen Festivalarbeit erledigt hatte.. Blog weiterlesen

  • 05.10.2020 [Kommentare: 0]

    Klassengesellschaft

    Neulich saßen wir mit unserem diesjährigen Festivalteam, das aus Luis, mir und drei Praktikanten besteht, in der Pause wieder in unserem Stammcafé in Alcalá, San Diego Coffee Corner, ein modernes Lokal an einer der Ecken der zentralen Plaza de los Ir.. Blog weiterlesen

  • 03.06.2020 [Kommentare: 0]

    Die Suche nach den Schuldigen

    Jetzt weiß ich, wieso ich während der Quarantäne nach Jahren endlich wieder gut und fest schlafen konnte, der Geräuschpegel war zehn Wochen lang deutlich niedriger. Am ersten Freitag in Phase 1 war wieder einiges los auf den Straßen Montecarmelos... Blog weiterlesen

  • 26.04.2019 [Kommentare: 0]

    Spanien bringt mich in Versuchung

    Schon seit fast einem Jahr bin ich zur vegetarischen Ernährung übergegangen, aus ethischen und ökologischen Gründen. Das heißt, ich versuche es zumindest. Mir war schon bewusst, dass es in Spanien etwas schwieriger werden würde – aber, dass ich so.. Blog weiterlesen

  • 04.02.2019 [Kommentare: 0]

    Die Chinos – eine Welt für sich

    Als ich neulich mit einer Freundin von Zuhause telefonierte, erwähnte ich beiläufig den Chino in meiner Straße. “Chino?” fragte sie. Ach ja – die Chinos haben wir ja in Deutschland gar nicht. Doch wie beschreibt man dieses “Phänomen” am besten? Die.. Blog weiterlesen

  • 14.01.2019 [Kommentare: 0]

    Es ist nie zu spät!

    Immer wieder die gleiche Diskussion: “¡A las 7 de la tarde no se cena!” – Um sieben Uhr nachmittags isst man noch kein Abendessen! “Ich hab aber jetzt schon Hunger!” “¡Es porque has comido hace horas!” - Du hast ja auch schon vor ‘ner Ewigkeit .. Blog weiterlesen

  • 08.08.2018 [Kommentare: 0]

    Im deutschen Exil – ganz scharf

    Manchmal lebt unsere Familie ja das deutsch-spanische Kauderwelsch. In sämtlichen Belangen. Sei es, dass der Nachwuchs sprachlich spanische Dörfer für mich auffährt: Papa, kannst Du mir endlich die Kuchenfarben bringen?? Was, wie?! [Papa sucht.. Blog weiterlesen

  • 04.07.2018 [Kommentare: 0]

    Von der WM zur Ahnenforschung

    Nach dem Ausscheiden der deutschen und nun der spanischen Nationalmannschaft wird es natürlich für unsere deutsch-spanische Familie ganz schwierig mit dem Weiterfiebern. Doch die Jungs halten ganz gut mit. Zu EM 2016-Zeiten nach dem Aus der Deutschen.. Blog weiterlesen

  • 27.11.2017 [Kommentare: 0]

    Rosamunde Pilcher im spanischen Fernsehen

    Als ich einmal an einem Nachmittag am Wochenende wahllos durch das spanische Fernsehprogramm zappe, werde ich plötzlich stutzig: Sind das nicht deutsche Schauspieler da auf dem Bildschirm? Heißt das etwa, dass ich mir gute deutsche Filme im.. Blog weiterlesen

  • 16.10.2017 [Kommentare: 0]

    Pendeln im Fernzug

    Es ist 06:42 Uhr und der Fernzug AVANT setzt seine Fahrt in Richtung Madrid nach einem kurzen Aufenthalt in Ciudad Real fort. Er ist fast komplett ausgebucht, aber von Chaos bei der Sitzplatzsuche keine Spur. „Wie praktisch! Ich muss ja gar nicht um.. Blog weiterlesen