Regionale Stereotypen und (süd)spanischer Humor

15.07.2017 - Ana Caballero 

Kürzlich schaute ich mir auf meiner ALSA-Busfahrt von Granada nach Madrid die spanische Komödie „Ocho apellidos vascos” an. Ich hatte schon oft von Spaniern gehört, dass sie echt witzig sei und so nutzte nun die Gelegenheit, dass sie bei der Filmauswahl dabei war. Die Handlung in Kurzform: ein junger Andalusier aus Sevilla, der seine Heimatstadt bisher noch nie verlassen hat, reist einer Baskin in ihr nördliches Heimatdorf hinterher, mit dem Ziel, ihr Herz zu erobern. Die Umstände erfordern, dass er gegenüber ihrem nationalistisch gesinnten Vater vorgeben muss, ein waschechter Baske zu sein. Wie sich erahnen lässt, spielt der Film mit zahlreichen Klischees und Stereotypen über die Bewohner der jeweils anderen Landesregion und zahlreiche Witze speisen sich daraus.

 

Während ich lernte, dass die Basken in Sachen Liebe als sehr reserviert gelten, ganz im Gegensatz zu den temperamentvollen Südspaniern, dass sich Männer im Norden zur Begrüßung nicht wie im Süden herzlich umarmen, dass Kortatu anscheinend nichts Essbares ist und wie eine typische Sevillana klingt, wurde mir einerseits wieder einmal bewusst wie überaus vielfältig Spanien doch ist. Andererseits stellte ich etwas ernüchtert fest, dass mir mindestens die Hälfte der Wortspiele entging oder ich ihren Sinn lediglich erahnte. Dies lag zum einen sicherlich an dem halsbrecherischen Sprechtempo und der andalusischen Angewohnheit, die Hälfte der Buchstaben zu verschlucken – leider konnte man auch keine Untertitel einstellen –, zum anderen hing es aber auch damit zusammen, dass ich als Ausländerin viele der regionalen Stereotypen gar nicht kenne.

 

Auch in Gesprächen mit Spaniern ist mir schon oft aufgefallen, wie gerne sie über die Gewohnheiten ihrer Landsleute aus anderen Regionen, aus der Nachbarstadt  oder auch mal der eigenen Heimat witzeln. Allen voran die Andalusier, die von Natur aus Spaßvögel sind und eine faszinierende Kreativität darin besitzen, zu jedem beliebigen Thema und in jeder beliebigen Situation einen Scherz zu machen. In diesem Zusammenhang bezeichnen sie sich selbst gerne als „salaos”, so viel habe ich gelernt. Was die Anderen angeht, so braucht man nur einen spanischen Ort zu erwähnen, den man besucht hat oder aus dem ein bestimmter Bekannter stammt und schon erfährt man durch einen Witz hindurch, wie die Leute dort in ihren Augen ticken. Oder besser gesagt, durch die anschließende Erklärung des Witzes.

 

Denn auch wenn ich inzwischen ganz gute spanische Geographiekenntnisse besitze und über die wichtigsten regionalen Feste, Speisen und Sprachvarietäten Bescheid weiß, reicht mein Wissen über die gegenseitigen Stereotypen der Spanier wohl längst noch nicht aus, um alle Scherze zu verstehen, geschweige denn selbst mitzuspaßen – die Vielfalt des Landes ist einfach zu groß. Umso interessanter finde ich sie jedoch, denn auch wenn sie natürlich häufig sehr überspitzt und verallgemeinernd sind, ist doch oft viel Wahres dran und nicht selten sind sie aufgrund von historischen Gegebenheiten oder jahrhundertealten Traditionen entstanden.

 

So hoffe ich, in Zukunft durch Begegnungen mit Spaniern verschiedenster Herkunft noch einiges über die landesinternen Stereotypen zu lernen und vielleicht kann ich dann eines Tages auch herzhaft über die Scherze der Andalusier lachen...

Kommentare (0) :

Blog kommentieren
Blog-Archiv
  • 09.11.2020 [Kommentare: 2]

    Corona-Bombe

    „Kannst du Emma heute von der Schule abholen?”, erreichte mich unerwartet eine Nachricht von Emmas Vater Hugo, als ich erst gefühlte fünf Minuten im Büro war und noch nicht einmal ansatzweise ein Viertel meiner täglichen Festivalarbeit erledigt hatte.. Blog weiterlesen

  • 05.10.2020 [Kommentare: 0]

    Klassengesellschaft

    Neulich saßen wir mit unserem diesjährigen Festivalteam, das aus Luis, mir und drei Praktikanten besteht, in der Pause wieder in unserem Stammcafé in Alcalá, San Diego Coffee Corner, ein modernes Lokal an einer der Ecken der zentralen Plaza de los Ir.. Blog weiterlesen

  • 03.06.2020 [Kommentare: 0]

    Die Suche nach den Schuldigen

    Jetzt weiß ich, wieso ich während der Quarantäne nach Jahren endlich wieder gut und fest schlafen konnte, der Geräuschpegel war zehn Wochen lang deutlich niedriger. Am ersten Freitag in Phase 1 war wieder einiges los auf den Straßen Montecarmelos... Blog weiterlesen

  • 26.04.2019 [Kommentare: 0]

    Spanien bringt mich in Versuchung

    Schon seit fast einem Jahr bin ich zur vegetarischen Ernährung übergegangen, aus ethischen und ökologischen Gründen. Das heißt, ich versuche es zumindest. Mir war schon bewusst, dass es in Spanien etwas schwieriger werden würde – aber, dass ich so.. Blog weiterlesen

  • 04.02.2019 [Kommentare: 0]

    Die Chinos – eine Welt für sich

    Als ich neulich mit einer Freundin von Zuhause telefonierte, erwähnte ich beiläufig den Chino in meiner Straße. “Chino?” fragte sie. Ach ja – die Chinos haben wir ja in Deutschland gar nicht. Doch wie beschreibt man dieses “Phänomen” am besten? Die.. Blog weiterlesen

  • 14.01.2019 [Kommentare: 0]

    Es ist nie zu spät!

    Immer wieder die gleiche Diskussion: “¡A las 7 de la tarde no se cena!” – Um sieben Uhr nachmittags isst man noch kein Abendessen! “Ich hab aber jetzt schon Hunger!” “¡Es porque has comido hace horas!” - Du hast ja auch schon vor ‘ner Ewigkeit .. Blog weiterlesen

  • 08.08.2018 [Kommentare: 0]

    Im deutschen Exil – ganz scharf

    Manchmal lebt unsere Familie ja das deutsch-spanische Kauderwelsch. In sämtlichen Belangen. Sei es, dass der Nachwuchs sprachlich spanische Dörfer für mich auffährt: Papa, kannst Du mir endlich die Kuchenfarben bringen?? Was, wie?! [Papa sucht.. Blog weiterlesen

  • 04.07.2018 [Kommentare: 0]

    Von der WM zur Ahnenforschung

    Nach dem Ausscheiden der deutschen und nun der spanischen Nationalmannschaft wird es natürlich für unsere deutsch-spanische Familie ganz schwierig mit dem Weiterfiebern. Doch die Jungs halten ganz gut mit. Zu EM 2016-Zeiten nach dem Aus der Deutschen.. Blog weiterlesen

  • 27.11.2017 [Kommentare: 0]

    Rosamunde Pilcher im spanischen Fernsehen

    Als ich einmal an einem Nachmittag am Wochenende wahllos durch das spanische Fernsehprogramm zappe, werde ich plötzlich stutzig: Sind das nicht deutsche Schauspieler da auf dem Bildschirm? Heißt das etwa, dass ich mir gute deutsche Filme im.. Blog weiterlesen

  • 16.10.2017 [Kommentare: 0]

    Pendeln im Fernzug

    Es ist 06:42 Uhr und der Fernzug AVANT setzt seine Fahrt in Richtung Madrid nach einem kurzen Aufenthalt in Ciudad Real fort. Er ist fast komplett ausgebucht, aber von Chaos bei der Sitzplatzsuche keine Spur. „Wie praktisch! Ich muss ja gar nicht um.. Blog weiterlesen