Sorgerechtsreglungen in Spanien

07.04.2008 - Corinna Reiss - Psychologin 

Wenn sich ein Paar trennt und gemeinsame Kinder im Spiel sind, kann es zu schwierigen Situationen kommen. Es muß das Sorgerecht, der Umgang und der Unterhalt geklärt werden. Vor allem, wenn die Trennung nicht im gemeinsamen Einvernehmen gelingt, geraten Kinder oft zwischen die Fronten.
 
Mich beschäftigt – nicht zuletzt aus eigener Erfahrung – dabei immer wieder die Handhabung der Umgangsregelung. Unlängst habe ich in der deutschen Presse über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gelesen. Darin wird festgestellt, daß ein nicht sorgeberechtigter Elternteil nicht zum Umgang mit dem Kind gezwungen werden kann. Festgestellt wurde, dass ein Zwangsumgang in der Regel nicht dem Kindeswohl diene. Ablehnung statt Zuwendung könne dem Kind schaden.

Gut und schön. Also, muß beispielsweise ein Vater, der ein uneheliches Kind aus einem Seitensprung hat zwar finanziell für das Kind sorgen, aber muß es nicht kennenlernen. Die Pflicht zur Sorge und Umgang ist nicht immer deckungsgleich mit der Fähigkeit, diese auch auszuüben.

Das bringt mich allerdings zu der Frage: Wie ist es im umgekehrten Fall?
Leider kenne ich mehrere Familien, in denen Kinder aus Beziehungen kommen, in denen Gewaltdynamiken eine Rolle spielten. Diese Kinder sind teilweise traumatisiert und haben dadurch eine Ablehnung gegen den Umgang mit dem Vater. Leider ist die Rechtspraxis jedoch, daß sich in diesen Fällen das Recht auf Umgang in eine Pflicht, in einen Zwang verwandelt. Hier kommt der Ansatz, daß ein Zwangsumgang nicht dem Kindeswohl dient leider nicht zur Anwendung.
 
Jener Vater kann nicht gezwungen werden – warum darf man das mit einem Kind tun? Beispielsweise ein Kind, das drei Tage vor dem angesetzten Besuch versucht, krank zu werden, hat einen echten Konflikt. Ein Kind, das in der Schule Probleme mit dem Catalan bekommt, weil es diese Sprache mit dem Vater verbindet, vor dem es Angst hat und ihn dennoch besuchen muß, hat ein Problem! Warum werden diese Kinder genötigt, den Umgang auszuüben? Warum wird den sorgeberechtigten Müttern eher Manipulation ihrer Kinder unterstellt anstatt diese Kinder ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören? 

Offensichtlich wird hier das Recht der Eltern auf Umgang - egal ob sie dazu fähig sind oder nicht - höher gestellt als das Kindeswohl. Und genau das erschreckt mich und macht mich wütend. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch wenn mein Kontakt zum Vater noch so konfliktträchtig ist, mein  Sohn gerne bei seinem Vater ist und das freut mich und entlastet mich. Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu Besuchen zwingen zu müssen. 

Ich will damit nicht sagen daß es nicht auch schwarze Schafe gibt – Fälle in denen auch die Mütter mit den Kindern manipulieren – so etwas gibt es immer, aber es ist ungerechtfertigt, daraus eine Regel abzuleiten. Ich denke, wir können davon ausgehen, daß sich Mütter wünschen, daß ihre Kinder trotz Trennung einen guten Kontakt zum Vater haben können. Um so mehr schmerzt es, wenn ich an jene Kinder denke, die in ihrem Ausdruck und ihrer Not nicht ernst genommen werden. Warum darf nicht auch schon ein kleines Kind ausdrücken: mit dieser Person möchte ich derzeit keinen Umgang!

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