Soy Alemana, ¿puedes ayudarme?

18.10.2010 - Janette Wieland - Journalistin 

Zugegeben, ich war schon sehr blauäugig, bevor ich nach Madrid gekommen bin: Ein paar Monate Spanisch-Privatunterricht in Deutschland und schon meint man gewappnet für das Leben im neuen Land zu sein. Dass ich mich in dieser Hinsicht gewaltig täuschen sollte, erfuhr ich bereits wenige Stunden nach meiner Ankunft in Madrid.

Wir bezogen unser neues Heim. Organisatorisches musste erledigt werden, einen Telefonanschluss brauchten wir auch noch, und die Mikrowelle funktionierte nicht. Schnell waren Hausverwalter und Telefonica-Kundendienst zur Stelle. Jetzt sollten sich meine Spanisch-Kenntnisse bewähren. Weit gefehlt. „Hola, buenas dias“ verstand ich noch, danach war auch schon Ende. Verstehen: Null, Sprechen: nada. Die Geschwindigkeit, in der die Spanier zu kommunizieren pflegen, hat mich schlichtweg überrannt. Mit Händen und Füßen hat es schließlich geklappt, doch meine anfängliche Euphorie war erstmal dahin. Gut, Plan B sollte in Kraft gesetzt werden: Poco a poco und vor allem nicht kuschen! Und so begann ich die nachfolgenden Gespräche erst einmal mit „Soy alemana, puedes ayudarme? Yo tengo que aprender español.“ Der Effekt war einfach unglaublich!

Ob es nun der Kellner in der Tapas-Bar, der Reitlehrer, die Postbotin oder der Hausverwalter war – jeder war gern bereit, mir beim Erlernen der spanischen Sprache zu helfen. Man sprach deutlich langsamer mit mir, benutzte einfache Sätze und fragte mich nach jedem Satz, ob ich ihn verstanden hätte. Wenn nicht, dann wurde ein Wort oder sogar ein ganzer Satz so lange erklärt oder umschrieben, bis ich endlich verstanden hatte, worum es ging. Und nicht nur das: Die Spanier gaben mir immer wieder auf’s neue das Gefühl, dass sie sich unglaublich über mein Interesse an der Sprache, dem Land und den Menschen freuen. – Für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man als Ausländer hier lebt.

Unweigerlich musste ich in diesen Situationen an eine Begegnung mit einem Belgier in Deutschland denken: Er war auf der Suche nach einer Ferienunterkunft, konnte aber kaum deutsch. Er wurde mehrfach als Gast von Familien abgelehnt, weil man diese Unannehmlichkeit des Nicht-Verstehens nicht akzeptierte. Ich unterhielt mich sehr lange auf Englisch mit ihm und half ihm schließlich, doch noch ein Quartier zu finden. Wie wäre das in Spanien gelaufen? Oder umgekehrt: Würde der „Durchschnitts-Deutsche“ (wenn ich diesen Begriff einmal nutzen darf) zu Hause so viel Energie, Freude und auch Selbstverständlichkeit aufbringen, einem anderen, der nicht Deutsch spricht, seine Sprache beizubringen? Ich denke eher nicht.

Heute muss ich meinen „Eröffnungssatz“ nur noch sehr selten anwenden. Meine Grammatik ist sicherlich immer noch weit entfernt von meinem Ziel, unbeschwert eine spanische Konversation zu führen. Aber wann immer ich mit meinen „Lehrmeistern“ spreche, bekomme ich ein großes Lob für meine Spanisch-Kenntnisse. Ich weiß zwar, dass es sich hierbei meistens um die spanische Höflichkeit handelt, aber für meine Motivation ist so etwas natürlich wie ein eiskaltes San Miguel im Hochsommer. Und auch bei manchen verbalen Fehltritten bleiben die Spanier geduldig und korrigieren mich mit aller gebotenen Höflichkeit.

Auch wenn ich sicher noch sehr viel lernen muss: Auf die spanische Art macht es einfach viel mehr Spaß. Perfektion erwartet wohl niemand hier, aber wenn man erst einmal die Scheu verloren hat und sich einfach auf die Sprache und vor allem das Gespräch einlässt, wird man sie – poco a poco – schneller erreichen als man denkt.

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