Spanien rückt nach rechts

03.03.2011 - Stefanie Claudia Müller - scm communication 

Die Politisierung des gesellschaftlichen Lebens in Spanien hat in den vergangenen Jahren so stark zugenommen, dass der Eindruck entsteht, dass man sich zu nichts mehr äußern kann, ohne nicht in eine Ecke geschoben zu werden: PP oder PSOE.

Es haben sich Fronten gebildet, die schon lange nicht mehr so hart waren. Und selbst als Ausländer schafft man es fast nicht, sich aus dem politischen Kampf rauszuhalten. Er hindert das Land jedoch zu einem wirklich nachhaltigen Weg aus der Krise zu finden. Die Rechte, eigentlich stehend für Vaterlandsliebe, macht gerade die eigene Nation kaputt, indem sie immer wieder darauf hinweist, in welcher katastrophalen Lage Spanien ist, Katalonien niedermacht und ansonsten auch wenig konstruktiv ist.

Das hilft natürlich in keinster Weise, Vertrauen an den Finanzmärkten für spanische Staatsanleihen zu generieren. Es ist unsolidarisch und alles andere als vaterlandsliebend, sein Land immer wieder in den Dreck zu ziehen, um so den durch die Krise geschwächten politischen Gegner am Boden zu halten.

Vor allem die Volkspartei PP, derzeit in der Opposition, ist unerträglich geworden. Das Umfeld der PP ist überhaupt nicht mit den deutsche Christdemokraten zu vergleichen, leider. Teile der katholischen Kirche zusammen mit der PP haben in Spanien die Medienmacht übernommen und ein unangenehmes, fast rechtsextremes Ambiente geschaffen, das man besonders in Madrid spürt.

Der Radiosender Intereconomía, die Zeitung La Gaceta und La Razón und in manchen Programmen auch COPE, gehören zu den bizzarsten Ausuferungen dieser Entwicklung. Es werden konstant Menschen diffamiert, es wird propagiert statt informiert, es wird gehetzt und beleidigt und das auf niedrigstem Niveau. Rechtsextremismus und Klassendenken drücken sich in einer sehr herablassenden und überheblichen Kommunikation aus.

Das hat dazu geführt, dass die linke Kultur- und Politszene sich in Spanien ebenfalls radikalisiert hat. Nur wenige Themen können dort noch sachlich diskutiert werden, ohne dass gegen die Rechte gepoltert wird. Das wurde bei der Rede des Ex-Präsidenten der Academia del Cine, Álex de la Iglesia, klar. Anläßlich der Goya-Verleihung hat der spanische Regisseur sich positiv zur Verbreitung von Filmen im Internet geäußert, natürlich soll dies nicht gratis sein.

Er war vorher zurückgetreten, weil er mit dem “Ley de Sinde” (nach der gleichnamigen spanischen Kulturministerin benannt), dem neuen Verbot von illegalen Download-Seiten, nicht einverstanden war. Wieder wurde alles politisiert. Álex de la Iglesia glaubt, dass das Internet neue Möglichkeiten bietet, Filme bei youtube etc. in Ausschnitten zu zeigen und vor allen denen hilft, die Low-Budget-Filme machen und keine Möglichkeiten haben, diese auf traditionellem Wege zu vertreiben.

Plötzlich wurde der Kulturschaffende wegen seiner Haltung gegen das “Ley de Sinde” von der Rechten gefeiert und von den Linken verachtet, obwohl er sich zu etwas geäußert hat, was mit beiden Ideologien nichts zu tun hat.

Gerechterweise muss man jedoch sagen, dass alle linken Medien in Spanien wesentlich weniger aggressiv und manipulierend auftreten als zum Beispiel Intereconomía, esmadrid.com oder La Gaceta, die mit dem Slogan wirbt: “Wir sind stolz, rechts zu stehen”.

Angesichts dieser traurigen Entwicklung kann man nur hoffen, dass bei den nächsten Parlamentswahlen im Frühjahr 2012 die PP nicht mit absoluter Mehrheit gewinnt und sich die beiden Fronten wieder annähern, weil sie es müssen. Eine große Koalition wäre vielleicht wirklich eine heilvolle Therapie für Spanien.

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