Spanier streiken für sich selber

11.11.2007 - Carsten Nitschke - Country Sales Manager Iberia 

Mir kommt es immer wieder so vor, als ob in Spanien immer nur die Taxifahrer, Piloten, Lokfuehrer und Fluglotsen Rechte haben. Sicherlich gibt es einen großen Unterschied zwischen Lokführern, Taxifahrern zum einem und Piloten und Fluglotsen zum anderem, aber kurioserweise schaffen es diese Kollektive immer wieder, das ganze Land lahmzulegen, wenn es ihnen mal gerade wieder passt.Die Piloten werden von der SEPLA-Gewerkschaft vertreten. Es scheint mir dabei interessant zu sein, dass wenn SEPLA Streiks ausruft, diese meistens nur die IBERIA betreffen. Dazu vielleicht noch die Hintergrundinformation, dass die Piloten der Iberia mittlerweile zu den bestbezahltesten Europas gehören, die dazu auch noch die wenigsten Flugstunden leisten.Neben der Tatsache, dass Piloten und ihre Familien allerlei Extras bekommen wie Chauffeurservice zur Arbeit, freie Flüge und naturlich auch Tickets, die man als Geschenk ansehen kann (10 Prozent des Ticketpreises). Das alles bei einem Gehalt, das weit über dem Durchschnitt liegt (150 000 Euro im Jahr). Diese Streiks werden auch immer dann ausgerufen, wenn man das Volk am besten packt und das ist zur Ferienzeit.Ich halte das für unverantwortlich und vor allem frech. Aber wir sind in einem Staat, in dem die Rechte von einigen wenige wesentlich wichtiger sind als die Rechte der großen Mehrheit, die diese auch noch bezahlt. Gleiches gilt hier übrigens für die Fluglotsen.Bei den Taxifahrern ist das Gehalt sicherlich nicht in der Größenordnung wie bei den Piloten, aber nichtsdestotrotz haben sie sich den Beruf meines Wissens nach ausgesucht. Es gibt, so weit ich es weiß, in Madrid keinen Zwang für bestimmte Personen Taxifahrer zu werden. Wenn dem so ist, sollten sie auch selber für Ihre Sicherheit zuständig sein. Die Preise für das Taxi steigen ständig, ohne dass ich als Nutzer irgendwelche Verbesserungen feststellen kann. Die Autos sind immer noch die gleichen (dürfen übrigens 10 Jahre lang fahren), Klimaanlage ist im Sommer fast immer in der Regel kaputt....Die Autos sind nicht immer, was man sauber nennen kann, dazu kommen dann auch noch die Taxifahrer, die gerne Zigarre rauchen oder eine gewisse Phobie der modernen Hygiene gegenüber besitzen. Flughafen kostet mitlerweile fünf Euro Zuschlag. Als ich in Madrid anfing 1998 habe ich für die Fahrt im Taxi von Barajas zu Torre Picasso 1300 Peseten bezahlt. Heute kostet mich allein das Losfahren und der Zuschlag fast 1100 Peseten.Ist denn der Sprit aufeinmal dreimal so teuer? Wenn Taxifahrer streiken, sind sie nicht einfach von der Straße verschwunden, sondern müssen dann auch noch den Rest der Stadt blockieren, ohne dass sich jemand rührt. Steikrecht ist etwas anderes als Sabotage. Das ein Taxifahrer ermordet wird, ist zu verurteilen. Aber deswegen haben sie noch lange kein Recht, die Stadt zu blockieren.Wenn das auf einmal die Sekretärinnen machen würden, weil eine Kollegin ermordet wurde, würden alle anderen auch aufschreien. Warum nicht bei den Taxifahrern? Besonders gern habe ich aber das pobre, está trabajando. Das wird immer wieder gerne über die Furgonetistas gesagt, die wie James Bond fast die Lizenz zum Töten haben. Völlig egal, ob es ein Zebrastreifen, Behinderten-Parkplatz oder einfach die zweite Spur ist.Sie können ueberall anhalten und den Verkehr lahmlegen. Están trabajando. Soll wohl heißen, wenn ich nicht mit einer Furgoneta unterwegs bin, bin ich ein Parasit? Ich kann es auch eilig haben, aber das interessiert dann keinen. In Spanien beschweren sich die Leute gerne mit dem Mundwerk, aber was Handfestes gibt es nicht.Allen Ärger über die Streiks zum Trotz, am nächsten Tag fliegen die Leute Iberia und nehmen ein Taxi, als ob nichts wäre. Spanien ist ein Land von Individualisten geworden, die sich ab und wann mal zusammenschliessen, aber im allgemeinen muss jeder für sich selber kämpfen.Ich war gerade auf einer Reise in Israel und war sehr beeindruckt von dem Zusammenhalt der Israelis. Nicht so wie hier, wo es fast schon politisch gefördert wird, nicht zusammenzuhalten oder ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu haben. Schade eigentlich, denn Spanien würde es sicherlich besser gehen, wenn alle mehr zusammenhalten würden und gemeinsam an einem Ziel arbeiten würden.Madridfuerdeutsche.com ist ein gutes Portal, auf dem ich zumindest nicht nur ein Stück Kultur finde, sondern vor allem auch immer wieder merke, dass ich nicht alleine bin mit meiner Sicht.

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