Stadt der Diebe

02.09.2009 - Oliver Espendiller 

Ich habe es geschafft. Im Flugzeug noch ein kurzer Check und dann ist es offiziell: Ich hab 5 Wochen in Barcelona verbracht und wurde nicht beklaut. 

Das mag ein bisschen übertrieben klingen, doch in Barcelona gibt es ein ernsthaftes Problem mit Taschendiebstählen. Das  ist mit der Situation in Madrid nicht zu vergleichen. Wenn man in den Reiseführern die Warnungen liest, hält man es für die üblichen Vorsichtshinweise, die für jede Großstadt ausgesprochen werden und denkt stets, „mir passiert so was nicht“. Doch dass es in Barcelona eine wirkliche Plage ist, stellt man schnell fest. Regelmäßig sieht man Touristen auf der Ramblas, welche hektisch ihre Taschen durchsuchen oder der Polizei heulend berichten, dass sie beklaut wurden. Man sollte jetzt jedoch nicht glauben, dass nur Touristen betroffen sind. Fast jeder Einheimische wurde schon beklaut und viele haben sich schon damit abgefunden, dass sie jedes Vierteljahr bestohlen werden. 

Zu raffiniert sind die Methoden, zu zahlreich die Zahl der Täter. Fast schon ein bisschen bewundernd staunt man über die Tricks der Diebe. Von Transvestiten über gedrückte Notschalter an der Rolltreppe bis hin zu falschen Polizisten ist alles dabei. Schnell stellt man jeden unter Generalverdacht, es auf die Wertsachen abgesehen zu haben und man weiß nicht, ob jemand freundlich und hilfsbereit oder hinterlistig und kriminell ist.

Doch leider scheint diese Skepsis angebracht zu sein, denn die Methoden der Diebe, welche schon kleinen Zaubertricks gleichen, haben auch das gleiche Grundprinzip wie die Tricks der Magier: Ablenkung. Während die eine Person scheinbar freundlich nach der Uhrzeit fragt, hat sein wesentlich unfreundlicherer Kumpane auch schon die Handtasche geleert. 

Ärgerlich ist ein Diebstahl vor allem dann, wenn der Personalausweis oder Reisepass geklaut wird. Ab dann muss man nämlich den restlichen Urlaub in langen Schlangen bei Ämtern und Polizei verbringen. Letztere scheinen aufgrund der Vielzahl der Vorfälle schon resigniert zu haben. Selbst wenn Opfer die Diebe genau beschreiben können und teilweise sogar wissen, wo die Verbrecher sich aufhalten, zeigen die Beamten keinerlei Interesse, sondern eher Gleichgültigkeit.
 
Manche Touristen unterstützen sogar die Problematik. Sie ziehen ihren Nutzen aus den Taschendiebstählen. Gerne verkaufen die Gauner kurz nach einem Taschendiebstahl den Inhalt an Urlauber. Ungeniert bieten sie Geldbörsen, Kameras und Uhren den vorbeikommenden Passanten an. Und diese greifen zum Teil bereitwillig zu. Meine Freundin beobachtete beispielsweise, wie ein Dieb eine Damengeldbörse an eine Urlauberin für 120 Euro verkaufte und auch andere Touristen beim angebotenen Diebesgut gerne zugriffen. 

Sicherlich können die Diebe jeden jederzeit um sein Hab und Gut bringen, die Frage ist nur, wie leicht man es ihnen macht. Wenn man ein paar Regeln beachtet, kann man das Risiko beklaut zu werden zumindest reduzieren:

- Ausweise unbedingt im Hotelsafe lassen und nur Kopien mitführen.
- Nur soviel Bargeld mitnehmen, wie für den Tag benötigt wird.
- Keine Geldbörse mit sich tragen, sondern das Geld am Körper verteilt aufbewahren
- Keine Wertsachen in den Rucksack tun und an belebten Plätzen diesen vorm Körper tragen
- Grundprinzip ist immer die Ablenkung, daher immer aufmerksam sein, wenn man angesprochen wird
- Abends niemals alleine in den Gassen rumlaufen
- Nichts auf den Tisch im Cafe legen (der Dieb schnappt sich die Sachen und rennt weg)
- Schlaufen von Rucksack und Tasche immer unter ein Stuhlbein legen, wenn man sich hinsetzt
- Niemals die Geldbörse vor fremden Menschen zücken (Geldwechseln, Spenden usw.)
- Handtasche zwischen Körper und Oberarm tragen und mit einer Hand festhalten

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