Stierkampf - ein heikles Thema

11.05.2010 - Clementine Kügler - Übersetzerin 

Wir haben auf unserem Portal ja auch einen Aufruf zur Abschaffung des Stierkampfes veröffentlicht – ohne dass das unbedingt Redaktionsmeinung ist. Sicher sind viele Nordeuropäer besonders aufmerksam und empfindlich, was Tierquälerei betrifft. Dennoch empfinde ich das Thema als eine spanische Angelegenheit mit einem kulturellen Hintergrund, von dem ich nichts verstehe, den ich aber deshalb nicht leugnen kann. Und so geht es auch vielen Spaniern. Sie interessieren sich nicht für Stierkampf, aber deshalb würden sie ihn nicht verbieten.

Auf der Baleareninsel Ibiza hat schon vor 30 Jahren eine Initiative aus Deutschen und Briten dafür gesorgt, dass die Stierkampfarena geschlossen wurde. Das fand ich immer merkwürdig. Wir kommen da hin, weil uns das Land, die Insel, der Ort gefällt und dann räumen wir auf mit einer Tradition, weil wir sie grausam finden. In Katalonien geht die Initiative zur Abschaffung des Stierkampfes von Argentiniern aus. Das wäre irgendwie so, als würde den Deutschen von gern dort lebenden Ausländern das Tempolimit aufgedrückt werden. Durch schnelles Fahren kommen ja auch viele zu Tode oder leiden schwere Verletzungen. Hinkt etwas, ich weiß.

Als José Tomás in Mexiko schwer verletzt wurde, war das in allen ernsten Zeitungen ein Thema. Die Zeitung „El País“ erklärt in ihrer Stilfibel, dass sie nicht über Boxkampf berichtet. Man kann nur vermuten, dass sie es ablehnt, eine Aktivität zu fördern, bei der sich erwachsene Männer auf den Schädel hauen. Wenn die Redaktion aber keine Probleme hat, über Stierkampf zu berichten, scheint das kein Widerspruch zu sein.

Einmal hingestellt die idyllischen Weiden, auf denen die Stiere fünf fette Jahre verbringen, bevor sie geopfert werden, ist der Stierkampf ein handfestes Geschäft in Spanien. Auf 2,5 Milliarden Euro Umsatz wird der Sektor 2009 beziffert. Auf dem Land leben 1 200 Unternehmen direkt oder indirekt von der Stierzucht. Selbst das Parteienbündnis CiU hat sich in dieses Dilemma verstrickt. Ein Teil unterstützt die Initiative zum Verbot, ein anderer Teil will einen technischen Stopp von ein oder zwei Jahren gegen die Entscheidung, den Stierkampf in Katalonien abzuschaffen, verhängen. Und andere Regionen erklären die Corridas zu schützenswertem Kulturgut.

Es scheinen also fern die Zeiten, in denen das einzige, was noch an den Stierkampf erinnert, die überdimensionalen Schnapsstiere sind, die in der Landschaft stehen.

Kommentare (0) :

Blog kommentieren
Blog-Archiv
  • 09.11.2020 [Kommentare: 2]

    Corona-Bombe

    „Kannst du Emma heute von der Schule abholen?”, erreichte mich unerwartet eine Nachricht von Emmas Vater Hugo, als ich erst gefühlte fünf Minuten im Büro war und noch nicht einmal ansatzweise ein Viertel meiner täglichen Festivalarbeit erledigt hatte.. Blog weiterlesen

  • 05.10.2020 [Kommentare: 0]

    Klassengesellschaft

    Neulich saßen wir mit unserem diesjährigen Festivalteam, das aus Luis, mir und drei Praktikanten besteht, in der Pause wieder in unserem Stammcafé in Alcalá, San Diego Coffee Corner, ein modernes Lokal an einer der Ecken der zentralen Plaza de los Ir.. Blog weiterlesen

  • 03.06.2020 [Kommentare: 0]

    Die Suche nach den Schuldigen

    Jetzt weiß ich, wieso ich während der Quarantäne nach Jahren endlich wieder gut und fest schlafen konnte, der Geräuschpegel war zehn Wochen lang deutlich niedriger. Am ersten Freitag in Phase 1 war wieder einiges los auf den Straßen Montecarmelos... Blog weiterlesen

  • 26.04.2019 [Kommentare: 0]

    Spanien bringt mich in Versuchung

    Schon seit fast einem Jahr bin ich zur vegetarischen Ernährung übergegangen, aus ethischen und ökologischen Gründen. Das heißt, ich versuche es zumindest. Mir war schon bewusst, dass es in Spanien etwas schwieriger werden würde – aber, dass ich so.. Blog weiterlesen

  • 04.02.2019 [Kommentare: 0]

    Die Chinos – eine Welt für sich

    Als ich neulich mit einer Freundin von Zuhause telefonierte, erwähnte ich beiläufig den Chino in meiner Straße. “Chino?” fragte sie. Ach ja – die Chinos haben wir ja in Deutschland gar nicht. Doch wie beschreibt man dieses “Phänomen” am besten? Die.. Blog weiterlesen

  • 14.01.2019 [Kommentare: 0]

    Es ist nie zu spät!

    Immer wieder die gleiche Diskussion: “¡A las 7 de la tarde no se cena!” – Um sieben Uhr nachmittags isst man noch kein Abendessen! “Ich hab aber jetzt schon Hunger!” “¡Es porque has comido hace horas!” - Du hast ja auch schon vor ‘ner Ewigkeit .. Blog weiterlesen

  • 08.08.2018 [Kommentare: 0]

    Im deutschen Exil – ganz scharf

    Manchmal lebt unsere Familie ja das deutsch-spanische Kauderwelsch. In sämtlichen Belangen. Sei es, dass der Nachwuchs sprachlich spanische Dörfer für mich auffährt: Papa, kannst Du mir endlich die Kuchenfarben bringen?? Was, wie?! [Papa sucht.. Blog weiterlesen

  • 04.07.2018 [Kommentare: 0]

    Von der WM zur Ahnenforschung

    Nach dem Ausscheiden der deutschen und nun der spanischen Nationalmannschaft wird es natürlich für unsere deutsch-spanische Familie ganz schwierig mit dem Weiterfiebern. Doch die Jungs halten ganz gut mit. Zu EM 2016-Zeiten nach dem Aus der Deutschen.. Blog weiterlesen

  • 27.11.2017 [Kommentare: 0]

    Rosamunde Pilcher im spanischen Fernsehen

    Als ich einmal an einem Nachmittag am Wochenende wahllos durch das spanische Fernsehprogramm zappe, werde ich plötzlich stutzig: Sind das nicht deutsche Schauspieler da auf dem Bildschirm? Heißt das etwa, dass ich mir gute deutsche Filme im.. Blog weiterlesen

  • 16.10.2017 [Kommentare: 0]

    Pendeln im Fernzug

    Es ist 06:42 Uhr und der Fernzug AVANT setzt seine Fahrt in Richtung Madrid nach einem kurzen Aufenthalt in Ciudad Real fort. Er ist fast komplett ausgebucht, aber von Chaos bei der Sitzplatzsuche keine Spur. „Wie praktisch! Ich muss ja gar nicht um.. Blog weiterlesen