Warum Real zum Scheitern verurteilt ist

12.04.2010 - Stefanie Claudia Müller  

Fußball ist unser Leben, in Spanien noch mehr als anderswo. Die Straßen waren deswegen leergefegt am Samstag, als Barcelona gegen Real Madrid spielte. Ich verstehe nicht viel von Fußball, aber ich finde dieses Phänomen faszinierend, dass eine Sportart Menschen aus so vielen verschiedenen sozialen Schichten zusammenbringt, dass alle dem selben Ball hinterher starren und dass keine andere Sportart soviel Geld bewegt. Wobei wir beim Thema wären.

Nach dem Championsleague-Spiel Madrid gegen Lyon stand in der Zeitung El País endlich mal was richtig Interessantes, nämlich eine Kritik an dem Imperium von Florentino Pérez, Besitzer eines der größten Bauunternehmen der Welt und Präsident von Real Madrid: „Ein Fußballspiel gewinnt man, man kauft es nicht.“

Treffender konnte der Journalist nicht ausdrücken, was bei Real Madrid schief läuft. Schon verwunderlich, dass dieser Mann, der als einziger in der Geschichte des Vereins in drei Jahren keinen Titel holte (2003-2006), weil er nur auf "Galaktische" und Marketing setzte, dann doch 2009 von den Socios mit Begeisterungals Präsident von Real Madrid wieder gewählt wurde.

Die Standardantwort, wenn man fragt, warum: „Dieser Mann kreiert Illusion.“ Das stimmt, allerdings auch nicht mehr als Illusion, was wieder zeigt, dass der Schein hier oft wichtiger ist als das Sein. Auch deswegen bin ich froh, dass der FC Barcelona am Samstag gegen Real Madrid gewonnen hat und jetzt die Liga anführt. Damit droht dem Club unter Pérez wieder eine Saison ohne Siege.

Zwar gibt es beim FC Barcelona auch viele Dinge, die fragwürdig sind, wie ein Präsident, der offen für die Unabhängigkeit seiner Region von Spanien eintritt, aber es gibt ein für den Sport ganz wichtiges Element, was bei Real Madrid schon seit Jahren fehlt: Teamgeist. Der Trainer kommt aus den eigenen Reihen und schon deswegen hat er wahrscheinlich ein größeres Interesse und eine größere Verbundenheit zum Team, als Trainer, die von Saison zu Saison von einem Verein zum anderen wechseln, um ihr Jahresgehalt zu erhöhen.

Dass Barça auf dem Trikot für Unicef wirbt und nicht für eine kommerzielle Marke wie die meisten anderen Clubs sagt auch was aus über den Verein. Für mich ist das Solidarität, eine ganz wichtige Tugend beim Spiel auf dem Rasen. Ohne Team kein Sieg. Trotzdem scheint der Verein als Unternehmen zu funktionieren, es ist also nicht alles Marketing, wie es Pérez propagiert. Auch mit Solidarität und gerade als Team läßt sich Geld verdienen, das schöne Gesicht alleine reicht nicht.

Trotz des „finanziellen Nachteils“, keinen zahlenden Sponsor auf dem Trikot zu haben, steigen die Einnahmen der Katalanen schneller als in Madrid, wo der Superunternehmer Pérez an einem ganz großen Rad dreht, das immer größere Kaufsummen für Spieler hervorbringt. Cristiano Ronaldo ist ohne Zweifel schöner als Messi, aber was bringt es am Ende des Tages, dass er zwar viele Werbespots macht, bei den Mädchen beliebter ist, aber die Mannschaft nicht mitziehen kann?

Am Samstag hat Spanien viel mehr als ein Fußballspiel gesehen. Es ging vor allem um Werte und vielleicht beginnt jetzt endlich mal der Neuanfang bei Real Madrid und vielleicht werden solche pseudo-erfolgreichen Unternehmer wie Pérez jetzt in Spanien endlich mal an den Pranger gestellt. Ein Mensch, der vor allem durch seine amigos und Spekulation nach oben gekommen ist, sollte nicht den Ton angeben bei der wichtigsten Marke, die Spanien international hat.

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