Besonderheiten der Weihnachtszeit. Kallendresser oder der Caganer von Köln

29.12.2015 - Rafa Heberling 

Mit der Delegation der ehemaligen Ratsherren aus Barcelona auf dem Weg zum Kölner Hotel über das Schneetreiben auf dem Altermarkt (ja, ist schon was her...), ließen die Delegierten ihre Koffer fallen und zückten beinahe gleichzeitig die Kameras: "Caganer! Caganer!" – und mit dem Klicken der Kameras war das Eis gebrochen. Die Kölner sind wohl den Barcelonés ähnlicher, als man vermutet hatte.

 

An einem First gegenüber des Kölner Rathauses prangt eine Figur, die von oben das "Glück" auf die Leute herunterzubringen scheint.

 

Ein wenig befremdlich und für nordische Kultur, vielleicht ein wenig zu unappetitlich, ordnet man das katalnische Brauchtum, ein Scheißerle in die Krippe unter den Weihnachtsbaum zu stellen, gerne mal voreilig dem Kapitel "mediterraner Fäkalhumor" zu. Dabei soll der kleine Geselle in der katalanischen National-Tracht ursprünglich eigentlich für die Fertilität der Äcker sorgen und so Glück bringen. Er stellt den Kreislauf der Natur dar und die Gesundheit des Körpers „menja bé, caga fort i no tinguis por a la mort!“ (‚Iss gut, scheiß kräftig und fürchte dich nicht vor dem Tod!‘) heißt es in dem Zusammenhang bei Wikipedia. Sogar die strenge katholische Kirche duldet den kleinen Scheißer als Glücksbringer in der Szenerie um die heilige Familie in der Weihnachtskrippe.

 

Selbst vielen Kölnern ist diese Parallele bei der Städtepartnerschaft noch gar nicht so aufgefallen. Dabei kann man sogar sprachlich Parallelen zwischen Kalle (mittelalterliches Deutsch für "Rinne") durchaus mit "Call", dem katalanischen Wort für callejón (Gässchen) an den Haaren herbeiziehen. (Selbst das "L" ist ja kölsch-emphatisch ausgesprochen)

 

Kaum eine Figur verkörpert den kölschen Humor so wie die Figur des "Kallendresser" am First des Hauses "Em Hahnen" am berühmten Altermarkt, obwohl sie von einem Düsseldorfer (!!!) Kunstprofessor (Ewald Mataré) gefertigt wurde. Gut, dass wir da auch noch ein paar original kölsche Kalledresser in Stein gemeißelt am Ratsturm haben! Immerhin geht die Mär, dass die Figur den (hochnäsigen?) Ratsherren mit dem Zeigen seines nackten Hinterteils den typisch kölschen Kommentar zur Politik gibt und ihnen analog zu Götz von Berlichingen, 2. Akt 11. Szene, mal zeigt, wo die geneigten Ratsherren ihn, den Kölner, mal lecken dürfen.

 

Selbst, wenn der kölsche Humor (wie z. B. der Karneval) im Rest der Republik vielfach auf Unverständnis stößt, ist er oft politisch motiviert. Subversiv gegen die Obrigkeit, weshalb die Diktaturen damit immer ein Problem hatten. Schwierigkeiten mit Autoritäten, Zentralismus ohne Rücksicht auf die regionalen Bedürfnisse... auch hier lässt sich eine gewisse Nähe zu der Mentalität der Katalanen finden. Der Architekt des Hauses am Altermarkt, Jupp Engels, hat sogar einen "Orden" entworfen, dem er als "Oberkallendresser" vorstand und diejenigen auszeichnete, die sich um das kölnische Brauchtum verdient gemacht haben.

 

Nun gibt es auch Legenden, denen nach der Kallendresser einfach nur ein fauler Dachdecker war, der zur Verrichtung seiner Notdurft einfach die Dachrinne missbraucht habe, eine andere Version erzählt von einem Schneider, der sich von den Musikern am Altermarkt belästigt gefühlt habe. Vor allem die Tuba Bläser seien wohl nicht geneigt gewesen, den musikalischen Geschmack des Schneiders zu bedienen und man kann sich den Rest der Geschichte unter dem Anblick des blecken Hinterns dann selber ausmalen.

 

Erst kürzlich, im Jahr 2011, wurde der Kallendresser, der "Kölsche Caganer" durch die Künstlerin Elisabeth Wegener-Botz zum Markenzeichen einer Kölner Privatbrauerei und sogar Namensgeber eines Kräuterlikörs. Im Stadtteil Junkersdorf gibt es 2 solche Figuren von ihr an einem Privathaus.

 

Den katalanischen Caganer gibt es inzwischen auch in allen möglichen Abwandlungen. Weniger in Rathaus-Türmen gemeißelt, denn in Weihnachtskrippen. Besonders die Version der Politiker, darunter auch unsere Angela Merkel, oder Fußballer erfreuen sich, dargestellt mit heruntergelassenen Hosen, großer Beliebtheit. In einem Souvenir-Shop in der Nähe des Rathauses in Barcelona gibt es sie das ganze Jahr. Als kurioses Mitbringsel ziert hier so mancher Fidel Castro, Rajoy, oder O'Bama in unrühmlicher Position den Kamin-Sims von Atlanta bis Tokio.

 

Ja, richtig: seit 2012 gibt es auch das kölsche Hänneschen, neben Tünnes und Schäl die wohl bekannteste Kölner "Persönlichkeit" aus dem Kölner Leben, mit der typisch rot-weiß geringelten Zipfelmütze als Caganer. Ein großer Erfolg auf dem Weihnachtsmarkt damals in Köln. Erhältlich über den Städtepartnerverein Köln - Barcelona und made in Barcelona...

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