HINTERGRUND: Staatsbürgerkunde sorgt in Spanien für Polemik

24.09.2007 - Clementine Kügler 

Das Fach Educación para la Ciudadanía y los Derechos Humanos (Staatsbürgerkunde) ist mit diesem eben begonnenen Schuljahr Pflicht in sieben Regionen und ab nächstem Jahr im ganzen Land. Es soll den Schülern Wissen über die Verfassung, die Menschenrechte, Erziehung zu Toleranz und Gleichberechtigung, die demokratischen Institutionen und Verkehrskunde vermitteln und sie zu toleranten Bürgern erziehen. Es ergänzt den Ethik-Unterricht und den Religionsunterricht und Religionsgeschichte, die an öffentlichen Schulen jedoch freiwillig sind.Seit März 2006 ist der Unterricht von Staatsbürgerkunde im Rahmen der Schulreform LOE und in Absprache mit der Europäischen Union entschieden. Die EU hat Leitlinien vorgegeben, mit denen die Bürger an pluralistische demokratische Werte herangeführt werden sollen. Pflicht ist das Fach im Primarbereich für 10 oder 11jährige und im Obligatorischen Sekundarbereich I. (ESO) für 14 bis 16jährige. Es wird im 4. ESO-Jahr als Educación Cívica dem Ethik-Unterricht hinzugefügt und im Abitur unter Filosofía y Ciudadanía gelehrt. Gegen diese Staatsbürgerkunde laufen katholische Elternverbände, manche Schulen und Politiker und ein Teil des Klerus Sturm, einige konservative Eltern sind bis vors Gericht gegangen. 100 000 Klagen werden in ganz Spanien bearbeitet, darunter in Madrid, wo der Unterricht erst im nächsten Jahr beginnen soll. Besonders zornig ist die konservative Volkspartei (PP).Die konservative Madrider Regionalchefin, Esperanza Aguirre, hat sich damit gebrüstet, nur das gesetzlich vorgeschriebene Minimum an Ciudadanía an Madrider Schulen unterrichten zu lassen, da sie das Fach für reine Doktrin hält. Ihr erster Versuch, diesen Unterricht für freiwillig zu erklären, wurde von PP-Generalsekretär Rajoy höchstpersönlich gestoppt. Obwohl auch der katholische Elternverband Concapa zum Boykott aufruft, wäre dieser rechtswidrig und kann bei den Schülern zum Nichtbestehen des Schuljahres führen. Die Schulen würden Subventionen oder gar die Lehrerlaubnis verlieren.In keinem europäischen Land wird die Rechtmäßigkeit dieses Faches infrage gestellt. Selbst im katholischen Italien ist das, was in Spanien dramatisiert wird, kein Thema. Der Widerstand gegen eine durchaus vernünftige Thematik, die auch zuvor teilweise schon zum Unterricht gehörte, lässt sich nur durch die Rolle der katholischen Kirche in Spanien erklären und ihre Angst, an Einfluss zu verlieren.

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