HINTERGRUND: Warum spanische Banken weiter Gewinne einfahren

19.07.2008 - Stefanie Claudia Müller 

Der spanische Notenbankchef Miguel Ángel Fernández Ordóñez ist so was wie ein Held, auch wenn ihn niemand dazu ausgerufen hat. Zwar kracht es in Spanien derzeit gewaltig nach zwölf Jahren Wirtschaftswachstum, aber die durch steigende Leitzinsen und Spekulationsblase provozierte Immobilienkrise reißt derzeit nur die Konjunktur und viele Bauträgerfirmen nach unten, nicht aber das Finanzsystem. Und das obwohl die Situation in Spanien durch die internationale Finanzkrise und der damit fehlenden Liquidität der Märkte weiter verschärft wurde.

Die großen spanischen Banken - Banco Santander und BBVA - generierten im ersten Quartal diesen Jahres immer noch einen zweistelligen Gewinnzuwachs. Die Banco Santander, größte Bank der Eurozone, steigerte ihren Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, in diesem Jahr will Chairman Emilio Botín bereits auf über zehn Milliarden Euro Gewinn kommen, das wäre fast eine Milliarde mehr als im vergangenen Jahr. Von der Fachzeitschrift Euromoney wurde sie gerade zur besten Bank der Welt gekürt. Trotz der schlechten Zeiten zuhause, machte sie jetzt ein Angebot für die britische Bank Alliance & Leicester. Aber auch der Gewinn der BBVA wuchs im zweiten Quartal um 11,6 Prozent, die drittgrößte spanische Bank Banco Popular konnte ihren Gewinn immerhin noch um 12 Prozent steigern.

Dass die spanischen Banken bei diesem massiven Kreditgeschäft der letzten Jahre nicht auf die Nase gefallen sind, obwohl der Immobilienmarkt wie in den USA überhitzt war, haben sie vor allem der strengen Kontrolle der Banco de España sowie ihrer hohen Auflagen zu verdanken, hört man aus Kreisen der Dresdner Bank in Spanien, die dort in Deutschland übliche Risikoprodukte auf den Markt bringen wollte, die von der spanischen Aufsicht mit den Worten abgelehnt wurden: „Interessant, aber hier nicht.“ Subprime-Kredite hätten in Spanien deswegen niemals verkauft werden können. „Zudem hatten die Banken hier genug Geschäft, sie brauchten keine Kredittitel aus anderen Ländern zu kaufen“, sagt Manuel Romera, Chef der Finanzwissenschaften an der spanischen Business Schule Instituto de Empresa.

Aber die Spanier haben auch sonst einige amerikanische Fehler nicht begangen: Zwar ist die Verzinsung von Hypotheken hier auch variabel und die Laufzeit mit 40 Jahren sogar wesentlich länger als in den USA, aber die Beziehung der Kunden zu den Banken ist ganz anders. „Wir wickeln unsere Geschäfte immer noch hauptsächlich im direkten Gespräch in der Filiale ab. Die meisten Kreditnehmer kennen wir schon seit Jahren. Das hilft bei der Einschätzung des Risikos einer Hypothek enorm“, sagt BBVA-Chefsvolkswirt José Luis Escrivá. Es gibt auch einen kulturellen Unterschied: Der Spanier kann auf vieles verzichten, aber die Hypothek wird immer das letzte sein, das er aufgeben oder nicht mehr bezahlen wird. Das erklärt auch, warum die Zahl der nicht bedienten Kredite am Gesamtdarlehensvolumen mit 1,5 Prozent in Spanien relativ niedrig ist. „In den USA werden bereits acht Prozent aller Hypotheken nicht mehr bedient,“ sagt Romera.

Für ihn bleibt jedoch abzuwarten, ob Spanien nicht, wie es die Schweizer UBS voraussagt, schon im nächsten Quartal wegen der enormen Überschuldung der Haushalte, der variablen Verzinsung und der steigenden Leitzinsen in eine Rezession stürzen wird. Ihm macht auch Sorge, dass in Spanien die Zahl der nicht bedienten Kredite angesichts der steigenden Leitzinsen rasant zunimmt, innerhalb weniger Monate stiegen sie von 0,5 auf 1,5 Prozent. Am Ende des Jahres käme man vielleicht schon auf drei Prozent. „Aber auch dann werden vor allem die spanischen Sparkassen Probleme bekommen, nicht aber die großen Banken, die bereits international sehr gut aufgestellt sind und zu den effizientesten der Welt zählen“, glaubt Martínez von Standard & Poors. Und auch er lobt die Arbeit der Notenbank.

Seit Ende der 90er Jahre verpflichtet sie die Kreditinstitute zur einer weltweit einzigartig strengen Risikoabsicherung. Nicht nur die möglichen faulen Kredite müssen durch Reserven abgesichert werden, sondern auch die Anzahl der genehmigten Darlehen. „Dieses doppelte Netz hat dazu geführt, dass Spanien inzwischen im Durchschnitt auf eine Risikoabsicherung von 250 Prozent kommt, BBVA und Banco Santander lagen in den Boomjahren teilweise sogar über diesem Mittel. Bei deutschen Banken liegt die Risikoabsicherung dagegen meist bei 120 Prozent, in den USA bei 140 Prozent“, sagt Escrivá.

Eingeführt wurde dieses strikte, international inzwischen hoch angesehene spanische Risiko-Kontrollsystem 1998 in der Zeit von Luis Ángel Rojo an der Spitze der Banco de España und unter Rodrigo Rato als spanischem Wirtschafts- und Finanzminister. „Die Zahl der Hypotheken stieg damals massiv an und man wollte eine Finanzkrise mit Bankenpleiten und eine Destabilisierung des gesamten Kreditgeschäfts, wie sie das Land Anfang der 80er Jahre erlebt hatte, mit aller Gewalt vermeiden“, berichtet Escrivá, der selbst damals bei der Notenbank an der Ausarbeitung des neuen Risikoabsicherungssystems mitgearbeitet hat. Hinzukam in den 90er Jahren die starke Investition spanischer Banken im immer wieder krisengeschüttelten Lateinamerika, was die Notenbanker beunruhigte. Anders als bei vielen anderen Gesetzen und Auflagen in Spanien wird die Umsetzung der damals eingeführten Finanzaufsichtsregeln seitdem strikt kontrolliert. „Wir haben rund 25 Leute von der Banco de España ständig bei uns sitzen“, sagt Escrivá.

Während jedoch Bankenxeperten die spanischen Finanzinstitute loben, verlieren sie zuhause immer mehr an Prestige. Seit rund zwölf Monaten drehen Sparkassen und Banken nach Jahren der Gratis- und Express-Kredite aus Selbstschutz den Geldhahn für schwierigere Fälle komplett zu. Davon betroffen sind nicht nur Immobilienunternehmen, die auch deswegen reihenweise pleite gehen, sondern auch viele andere Wirtschaftsbereiche. So braucht der Werbefachmann Juan Muñoz dringend einen Kredit über 20 000 Euro. Aber keine Bank will ihm angesichts der wirtschaftlichen Lage und seiner Schuldensituation noch Geld geben, obwohl seine Auftragslage gut ist. Sie haben die Banco de España im Rücken.

Leute wie er sind angesichts der neuen Situation nicht mehr kreditwürdig: Der 51-Jährige hat nicht nur eine Hypothek mit variabler Verzinsung und einer Laufzeit von 25 Jahren am Hals wie die meisten Spanier, die ihm seine Hausbank vor vier Jahren samt einer Zweitwohnung am Meer fast aufgedrängt hat, sondern auch eine Anzahl von Konsumkrediten, die er noch abstottern muss. Dazu gehören der Porsche Cayenne und das Schwimmbad, das er in wirtschaftlichen Boomzeiten auf seinem Grundstück in Madrid hat bauen lassen: „Alle - die Banken, ihre Schätzungsgesellschaften, die Politik und die Medien - haben uns glauben machen, dass sich die Häuserpreise in den letzten zehn Jahren verdreifacht haben. Mit dieser Sicherheit haben wir uns verschuldet, jetzt stürzte der Wert vor allem der Zweitwohnungen an der Küste drastisch ein. Ich kann froh sein, wenn ich für mein Ferienhaus an der Costa Brava noch 80 Prozent von dem kriege, was sie mich gekostet hat. Und das waren immerhin 350 000 Euro.“

Wie viele andere Spanier zahlt er immer noch brav seine Hypothek für den Erstwohnsitz in Madrid und auch für das Ferienhaus, aber den Cayenne will er jetzt verkaufen, einige Raten sind bereits überfällig. „Im kommenden Jahr, wenn die Krise so richtig durchschlägt, dann werden die Banken vor allem bei den Konsumkrediten Probleme kriegen, deswegen machen sie da jetzt bereits den Hahn zu“, glaubt Riopérez. Die BBVA rechnet für 2009 nur noch mit einem Wirtschaftswachstum unter einem Prozent, der private Konsum werde nur noch um 1,3 Prozent wachsen. Für viele Experten eine noch positive Einschätzung. Denn Handelsketten wie El Corte Inglés klagen jetzt bereits über einen deutlichen Rückgang, haben schon vor Wochen mit dem Sommerschlussverkauf begonnen, obwohl es noch ganz kalt war in Spanien. Die Modekette Zara spürt die heimische Krise ebenfalls und führt in diesem Jahr erstmals Angebote ein, um Käufer anzulocken. Madrider Restaurantbesitzer klagen bereits seit Monaten über leere Tische.

Notenbankchef Fernández Ordóñez verschönt die harte Landung der spanischen Wirtschaft nicht mehr und warnt die heimischen Banken, keine unnötigen Risiken einzugehen. Aber auch Unternehmen und Arbeitnehmer sollen die Situation nicht durch Gehaltserhöhungen und Ausweitung der Gewinnmargen verschlimmern. In den vergangenen Woche folgte ein Streik dem anderen, was die Konjunkturabkühlung deutlich beschleunigt hat: „Bescheidenheit ist angebracht, für alle“, sagt der oberste Finanzaufseher. Muñoz hat dazu keine Lust er ist sauer, vor allem auf den spanischen Wirtschafts- und Finanzminister Pedro Solbes: „Ist ja schön und gut, dass die Banken keine Probleme haben. Aber letztendlich zahlen wir das doch. Erst haben sie uns jahrelang abgezockt und Produkte aufgedrängt und jetzt sind wir ihnen nicht mehr gut genug.“

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