HINTERGRUND: Woher kommt der „Silvester-Abend“?

02.01.2012 - Dr. Wolfram Janzen - ARENA 

Für die meisten Menschen in unserem Kulturkreis ist „Silvester“ ein besonderer Tag - der Übergang von einem alten zu einem neuen Jahr. Fast jeder begeht den „Altjahresabend“ in besonderer Weise, je nach Alter und Geschmack, die einen mehr besinnlich, mit Rückblick und Vorausblick, die anderen mit Aufwand an Essen, Alkohol, Tanz und Feuerwerk. Immer aber ist der Wunsch nach einem „glücklichen Neuen Jahr“ dabei.

Dass der Jahreswechsel gefeiert wird, ist in allen Kulturen, die eine Jahreseinteilung kennen, üblich. Die Römer verehrten an diesem Tag den Gott Janus, Gott des Anfangs und des Endes, des Eingangs und Ausgangs. Er hatte zwei Gesichter. Ein altes, nach rückwärts und ein junges, nach vorne gewandtes Antlitz. Man lud am 1. „Januar“ in die Familie ein, aß Honig und süße Früchte u.a. Feigen und erbat von ihm ein glückliches Beginnen und Ende der Unternehmungen, die man vorhatte. Wer denkt hier nicht an die – allerdings relativ junge - Sitte in Spanien, synchron mit den 12 letzten Glockenschlägen des Jahres 12 Trauben zu essen, was Glück für die 12 Monate des nächsten Jahres bringen soll?

Dass der Name des letzten Jahrestages bei uns auf einen christlichen Heiligen zurückgeht, ist kaum noch bekannt. Es ist der „Papst“ Silvester I. Er war Oberhaupt der römischen Kirche von 314 bis 335. Sein Wirken fiel in eine für die Christenheit äußerst folgenreiche Zeit. Es war die Zeit des Übergangs von den staatlichen Verfolgungen zur öffentlichen Anerkennung des Christentums im römischen Reich. Unter ihm beginnt also eine neue und – wie die Christen es empfanden - bessere Epoche für die christlichen Gläubigen, die „Konstantinische Wende“.

Noch vor der Zeit der Verfolgungen unter dem Kaiser Diokletian wurde Silvester ( wörtlich „der Waldmensch“) 284 zum Priester geweiht. In der Verfolgungszeit hielt er sich versteckt.
314 wird er zum Bischof der römischen Kirche gewählt, ein Jahr nach dem Konstantin und Licinus die christliche Kirche anerkannt und jedem römischen Bürger das Recht gegeben hatten, die christliche Religion auszuüben. In seine Zeit fielen bedeutende Konzile, wie das „1. allgemeine Konzil von Nizäa“ (325), in denen man wesentliche dogmatische Grundlagen der anerkannten christlichen Kirchen gegen die Abweichler von der offiziellen Linie festlegte. Silvester nahm an diesen Konzilen nicht teil, übernahm aber dessen Beschlüsse. Weiterhin hat Silvester über den Priscilla-Katakomben eine Kirche erbauen lassen. Dort wurde er auch bestattet.

Es gibt nur wenig verbürgte Nachrichten über diesen römischen Bischof. Das Schicksal der Christen lag auch mehr in den Händen Konstantins als denen des römischen Bischofs. Dafür hat aber die Legende sein Leben und seine Wirksamkeit umso mehr ausgeschmückt. So soll er in der Verfolgungszeit einem Statthalter widerstanden haben, der von ihm verlangte, den Besitz eines (ohnehin armen) Märtyrers herauszugeben. Gemäß der Warnung des Heiligen starb dieser starrköpfige Heide noch am selben Abend an einer verschluckten Gräte und Silvester kam frei.

Silvester soll auch Kaiser Konstantin getauft und so vom Aussatz befreit haben. Die Erzählung wurde später ausgeschmückt. Der Kaiser habe dem Papst aus Dankbarkeit für seine Heilung die Stadt Rom, die Oberhoheit über das Abendland und die kaiserlichen Insignien geschenkt. Diese sogenannte „Konstantinische Schenkung“ wurde von den mittelalterlichen Päpsten dazu verwandt, um die Vormacht gegenüber den Kaisern zu behaupten. Das Ganze ist aber eine Erfindung von papsttreuen Klerikern des 8. Jahrhunderts. Auch dass Silvester die wichtigsten Kirchen in Rom, die Peters- und Laterankirche habe errichten lassen, ist Legende.
Sie gehen eher auf die Stiftung Konstantins zurück.

Eine weitere Legende ließ Silvester zum Patron des bäuerlichen Viehs und der Haustiere werden. Helena; die Mutter Konstantins, wollte ihren Sohn zum Judentum bekehren. Daraufhin fand zwischen Silvester und 12 Rabbinern ein Streitgespräch statt, wobei Silvester 11 der jüdischen Gelehrten im Redestreit besiegte. Der 12. schritt zu einem „Tatbeweis“ für den jüdischen Glauben und flüsterte einem herbeigeführten Stier einen geheimen Gottesnamen ins Ohr, wodurch dieser tot umfiel. Silvester aber übertraf diese Tat, indem er im Namen Christi diesen wieder zum Leben erweckte. So bekehrte Silvester Helena und die Rabbiner. Heidnische Priester überzeugte er, indem er einen gefährlichen Drachen bändigte.

Silvester ist mehr oder weniger zufällig zum „Jahresabschlussheiligen“ durch die „Gregorianische Kalenderreform“ von 1582 geworden., wobei sein Tag auf den 31. Dezember fiel. Seitdem wurde er zum Patron eines „guten neuen Jahres“, was ja von den geschichtlichen Umständen und den um seine Person rankenden Legenden nicht ganz unpassend ist.
Wie die Römer unter Anrufung des Janus, wünschen sich Spanier und Katalanen am Tag des christlichen Heiligen „einen guten Ausgang und Eingang“, was auch ich meinen Lesern wünsche.

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