SERIE: Raus aus der Krise, aber wie? - Teil 1

06.04.2010 - Luis S. Weickgenannt, Sánchez & Lehmann 

Zum Autor der fünfteiligen Serie:
Luis S. Weickgenannt hat seine Erfahrung in multinationalen Unternehmen der Telekommunikations-, Automobil-Branche und Strategieberatung gesammelt. Seine Ausrichtung ist stets international gewesen. Er arbeitet unter anderem in Spanien, Deutschland, USA sowie in Entwicklungsländern. Derzeit ist er CEO bei Sánchez & Lehmann (Strategieberatung) und hält Anteile an verschiedenen Unternehmen. 

Die Antwort auf die oben gestellte Frage sollten Sie sich am Ende dieser Serie selbst liefern können. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Diagnose, die etwas von der gängigen abweicht. Den Kern dieser Serie liefert ein von der Strategieberatung Sánchez & Lehmann im Global Business Ring publizierter Artikel. Die Aussagen werden erweitert und auf den Leserkreis angepasst: http://www.sanchezlehmann.com/img/GBR20CA20SPAIN_2001.91_OLS1_Spanish_Gestion20de20Crisis20PYME20091209200900.pdf

Vereinfachte Diagnose
Es gibt in Spanien 2 Krisen, 2 Wirtschaften und möglicherweise einen relevanten Ausweg, der für Sie interessant sein kann. Auf die Lösung kommen wir in zukünftigen Folgen zu sprechen. Widmen wir uns den ersten beiden Aussagen:

Spanien hat mit zwei Krisen zu kämpfen
Die eine gründet auf der aus der spanischen Immobilienblase resultierenden Unternehmenskultur. Doch selbstverständlich hat auch die internationale Wirtschaftskrise Auswirkungen auf Spanien. Die erste ist jedoch jene, welche uns enorme Chancen bietet. Mehrere Jahre Immobilienboom und dadurch zwischen 2000-2008 um 35 Prozent steigende Preise haben als schwerwiegendste Konsequenz die "Economía del Chollo", d.h. das "einfache Geldmachen" zur Folge gehabt. Wo bleiben die Anreize, jahrelang an einem Detail mit unsicherem Ausgang zu forschen? Wo der stetige Wettbewerbs- und Kostendruck? Wo bleibt eine Kultur, die herausragende Leistung, nicht blinde Risikobereitschaft prämiert? Wir kennen das alle. Nun jedoch muss sich Spanien der Situation stellen.

In Spanien müssen wir zwei "Wirtschaften" differenzieren
Die spanischen Großunternehmen machen 35 Prozent des BIP und 20 Prozent der Arbeitskräfte aus. Sie sind mit Einschränkungen denselben Risiken und Chancen ausgesetzt wie Großunternehmen anderswo. Es handelt sich um außerordentlich gut positionierte, globalisierte und professionalisierte Unternehmen wie Inditex, Telefónica, Repsol, Santander, etc. – jedes einzelne mit spezifischen Stärken und Schwächen. Den Großunternehmen stehen die PYMEs (KMUs, Kleine und Mittlere Unternehmungen) gegenüber. Sie machen immerhin 65 Prozent des BIP und 80 Prozent der Arbeitskräfte in Spanien aus!

Vorsicht, denken Sie nun bitte nicht an den deutschen Mittelstand, dieser hat nur wenig mit dem spanischen gemein. In Deutschland kennen wir unzählige Unternehmen mit bspw. 100 bis 200 Mitarbeitern, die in ihrer Nische seit Jahren Weltmarktführer sind. Dies ist in Spanien bis auf Ausnahmen nicht der Fall. Neben anderen Faktoren hat mitunter die Produktion von 800 000 Wohnungseinheiten in einem Jahr (Vergleich Deutschland: unter 200 000) eine Nachfrage in allen möglichen Sektoren bis hin zum Kauf von Luxusautos nach sich gezogen.

Der Teufelskreis der PYME (KMU)
In Spanien steht die PYME nun vor fast nicht zu bewältigende Hindernissen, die in einem Teufelskreis zu enden scheinen. Daher sind auch in 2009 rund 6 000 Insolvenzanträge, ein Plus von 80 Prozent gegenüber 2008, registriert worden. 2010 wird höchstwahrscheinlich noch viele weit gewichtigere „Concursos de Acreedores“ bringen.

Ein vereinfachtes Bild erleichtert uns die Diagnose: Stellen Sie sich einen Teufelskreis von "Wettbewerbsfähigkeit", "Internationale Positionierung" und "Finanzierung" vor. Die spanische PYME leidet unter geringer Innovationskraft und Produktivität. In Zeiten fallender Preise, sinkender Nachfrage und zudem zunehmenden Wettbewerbsdrucks von außen (auch die Weltwirtschaftskrise treibt Wettbewerber nach Spanien) fällt es der bisher kaum geforderten PYME schwer, sich zu behaupten.

In vielen Branchen zieht dies einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent und mehr nach sich, ganz zu schweigen von dem Unternehmensergebnis. Die PYME hat sich leider in den letzten Jahren der Konsumfreude nicht um eine Erweiterung des Markets nach außen gekümmert. Dies wirkt sich nun fatal aus. Internationalisierung bedeutet nicht, auf eine Messe zu gehen, „nette“ Kontakte zu knüpfen und damit einen Markt gesichert zu haben. Vielmehr handelt es sich um einen langwierigen, teilweise teuren und riskanten Prozess. Kein deutscher Supermarkt wartet darauf, spanisches Olivenöl in seine Regale stellen zu dürfen. Die spanische PYME muss andere, gut positionierte Produkte verdrängen, eine "difference that matters" kreieren, Markenmanagement betreiben und strategisch klug vorgehen.

Dies soll sie nun leisten können? Ohne die dafür geeignete offene, und international versierte Unternehmenskultur des Besitzers, über den Verwaltungsrat bis hin zu dem Führungsteam sichergestellt zu haben? Erscheint es demzufolge verwunderlich, dass die Banken, Sparkassen, Investoren unserer PYME keine Finanzierung gewähren möchten? Nein. Der Analyst und Investor sind es leid, schön präsentierte, jedoch inhaltslose Business- Pläne vorgelegt zu bekommen, die im Grunde nichts anderes als das Fortführen des "alten" Modells darstellen Es fehlt meistens an Vertrauen, dass sich die zukünftigen Cash-Flows tatsächlich einstellen.

Das Verständnis der zwei unterschiedlichen Krisen, der zwei Wirtschaften und der Faktoren, die im Teufelskreis der PYME-Wirtschaft greifen, liefern außerordentlich spannende Chancen für international geübte Talente, nicht nur, um für sich selbst in Spanien einen erfolgreichen Weg aus dieser Krise zu finden, sondern ebenfalls um der spanischen Gesellschaft zu helfen. Weiteres dazu in der nächsten Folge.

Mehr dazu am nächsten Montag auf dieser Seite! 

Sánchez & Lehmann

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