SERIE: Raus der Krise - Teil 4

19.04.2010 - Luis S. Weickgenannt  

Wo können wir mit den besten Erfolgsaussichten ansetzen, um unserem Mittelstand (80 der privaten Beschäftigung) in Spanien (PYME) zu helfen? Der in Teil 1 vorgestellte Teufelskreis der PYME in Spanien gründet u. a. auf: Mangel an Wettbewerbsfähigkeit, kaum erfolgte internationale Positionierung, geringes Vertrauen von Banken, Sparkassen und Kapitalgeber in unsere PYME, welches die Mittelbeschaffung erheblich erschwert. Gute Chancen sehen wir bei Sánchez & Lehmann im Bereich der Internationalisierung unter Anwendung des Funkenwerfmodells aus Teil 2. Wir setzen auf Markterweiterung, d.h. neue Märkte mit bestehenden (oder leicht modifizierten) Produkten erschliessen.

1) Bestehende Produkte: Heute begegnen dem Mittelstand wachsender Wettbewerb und sinkende Nachfrage. Er reagiert im Gros darauf mit Schrumpfen und Preise senken statt sich strategisch neu zu positionieren. Das Produkt/Serviceangebot der PYMEs, ist meist jedoch zumindest „ausreichend“, in vielen Fällen gar mit einem „country-brand“-Differenzierungspotenzial (siehe Ibéricoschinken, Käse, Wein, Olivenöl) ausgestattet. Es gelingt ihnen jedoch traditionell nicht, dieses ähnlich geschickt wie Franzosen oder Italiener zu heben. Spanien verfügt zudem über fortschrittliche Infrastrukturen und unzählige Unternehmen haben in Zeiten günstiger Finanzierung modernste Anlagen errichtet. Nun gilt es diese „assets“ intelligent zu nutzen bzw. auf neue Märkte anzupassen (Etikettierung, Präferenzen, usw.).

2) Markterweiterung: Wir empfehlen, den erheblichen Rückgang der Nachfrage in Spanien durch Markterweiterung zu kompensieren. Werden die sprachlich-kulturelle Barriere sowie mangelnde internationale Erfahrung und „Neigung“ behoben, so könnte eine nahezu schrankenlose, wenngleich nicht einfache „Emigrationswelle“ spanischer Produkte in die EU erfolgen; auch für andere Regionen sind Unterstützung und Vorarbeit vorhanden. Manche haben direkt den „schwierigen“ Weg nach Japan oder Australien angetreten, um schon in einem ersten Schritt eine Differenzierung zu erzielen.

3) Change ist auf wenige Personen beschränkt: In Internationalisierungsprojekten kann der „Change“ zunächst auf die Unternehmensspitze und eingegrenzte Bereiche beschränkt bleiben. Beim die Innovation/Produktivität betreffenden Wandel, hingegen, erfolgt er meist aufwändig durch Restrukturierung und Schulung einer breiten Mitarbeiterschicht oder ist nur durch erhebliche Investitionen zu erlangen. Dadurch können Anstrengungen in unserem Fall gut fokussiert, weniger Ressourcen bzw. Zeit genutzt und die Erfolgschancen erheblich gesteigert werden. Eine Katalysatorwirkung könnte von einem erhöhten Grad an Unzufriedenheit in der PYME ausgehen (siehe Teil 3).

Kritische Erfolgsfaktoren:

A) Marke/Differenzierung/Strategie: Immer wieder erleben wir, dass bspw. spanische Lebensmittel (ca. 70 des gesamten Exportvolumens) im Ausland zu Niedrigstpreisen veräussert werden (siehe Olivenöl, Wein). Da sie kaum Differenzierung bspw. durch Markenmanagement betreiben, werden die Produzenten im Preiskampf schnell von ihren Positionen verdrängt, sodass vergangene Investitionen abgeschrieben werden müssen. Hier ist in der Tat Professionalisierung mittels der Hilfe von Institutionen, Beratungen, Einstellen von Experten o. ä. vonnöten.

B) Einsicht an der Spitze und Fähigkeiten „einkaufen“: Wir sprachen bereits über die notwendige Grundlage: Einsicht der Eigner oder/und Verwaltungsräte. Dies ist eine nicht zu unterschätzende conditio sine qua non. Es gibt ausreichend spanische und ausländische Institutionen, an die man sich wenden kann. Doch ist Spanien auch ein Land, welches nicht zuletzt aufgrund seiner „Lebensqualität“, erfahrene ausländische Talente attrahiert, die aufgrund der Wirtschaftslage nun gewillt sein dürften, Risiko zu teilen und sich erfolgsorientiert auszahlen zu lassen. Mit diesen Talenten, Fähigkeitsgaps zu schliessen, stellt für die PYME eine unmittelbare Chance dar. Doch Vorsicht: Die Wahl muss bedacht erfolgen. Mindestanforderung sind exzellente strategische und internationale Fähigkeiten. Auf diesen neuen Kollegen/Partnern lastet eine hohe Verantwortung.

C) Intelligent Funken werfen – Quick Wins: Internationalisierung ist ein langwieriger, ressourcenintensiver und riskanter Prozess. Dies können wir nicht leugnen. Andererseits bleiben der PYME kaum Alternativen. Daher muss sie intelligent und v.a. strategisch vorgehen. Führen Sie sich das Funkenwerfmodell von Teil 2 vor Augen. Wir sahen am Beispiel, wie sich ein Industrieunternehmen mit kaum mehr als 6-9 Monaten bis zum Konkurs, die Option auf eine millionenschwere Marketingkampagne und Mehrjahresabsatzsicherung im Austausch für weit geringer bewertete Unternehmensanteile schaffte.

Im Hinblick auf Internationalisierung hat sich die folgende Vorgehensweise als erfolgversprechend herausgestellt: Unsere PYME kann bspw. innerhalb weniger Monate versuchen, mehrere Paletten in einige Testmärkte zu veräussern. Nicht die Umsatzsteigerung ist Ziel dieser Quick Wins, sondern vielmehr der Prozess selbst, aus welchem unsere PYME gestärkt mit Erfahrung, Selbstbestätigung und realen Kundenreferenzen hervorgehen sollte.

D) Vertrauen schaffen, Feuer anfachen und einen stetigen Verbesserungsprozess einleiten: Ist es unserer PYME gelungen, sowohl die benötigten Fähigkeiten als auch diese ersten Erfolge zu erlangen, können wir den Weg zur Finanzmittelbeschaffung wagen. Ein überarbeiteter Business Plan, ein international versiertes Team, bereits eingeleitete Schritte und erste Erfolge, sowie – wichtig – ein zwar selbstsicheres, doch auch sehr pragmatisches Auftreten; genau das ist es, was ein Bank- oder Fondsmanager nun erwartet, um der PYME erneut Vertrauen gegenüber zu bringen! Wir haben die letzten Monate immer wieder feststellen können, dass gut strukturierte Projekte mit realistischen Erfolgsaussichten stets finanziert wurden.

Im letzten, dem 5. Teil dieser Serie, schlagen wir eine konkrete Organisation für derartige Internationalisierungsprojekte vor und liefern einige zusätzliche Hinweise aus der Praxis.

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