Was bei Katalanen zu beachten ist...

12.11.2008 - Susanne Merz - Studentin 

Jedes Jahr kommen zahlreiche Austauschstudenten nach Barcelona, um ein oder zwei Semester in der angesagten Stadt zu studieren oder anderweitigen Interessen unter dem schönen Schein des Studiums nachzugehen. Ziel der meisten ist es jedoch, ihre Spanischkenntnisse aufzubessern. Nur einem Fünftel der Studenten ist dabei die offizielle Sprachregelung des Landes bekannt, so dass sich mancher Student in der ersten Vorlesung über die seltsame Sprache wundert, in welcher der Dozent versucht, sein Wissen zu vermitteln.

Das sollte man besser keinem Katalanen sagen! Denn die Katalanen sehen sich selbst nicht als Spanier, sondern eben als Katalanen und das ist nun mal ein großer Unterschied. Sehr stolz sind die Katalanen auf ihre eigene Kultur und sehen sich dabei weit entfernt vom im Ausland weit verbreiteten Spanien-Bild. Tapas, Flamenco und Stierkampf, worauf unwissende Touristen „die Spanier“ gern reduzieren, haben in der Kultur der Katalanen wenig verloren und auch auf ihre eigene Sprache sind sie besonders stolz. So werden sogar kostenlose Katalanisch-Kurse angeboten, um auch Ausländer daran teilhaben zu lassen (www.cpnl.cat).

Schnell fühlt sich der Katalane auf den Schlips getreten, wenn man das nicht zu würdigen weiß. Ein Erlebnis dieser Art hatte ich in meinem zweiten Monat hier in Barcelona. Gerade einen fünfmonatigen Studienaufenthalt in Madrid, dem Lieblingskonkurrenten von Barcelona, hinter mir, wollte ich nur unschuldig einige Einkäufe erledigen. Als ich an einer älteren Frau vorbeigehen wollte, sprach diese mich auf einer unverständlichen Sprache an und zeigte auf den Joghurt. Das ich keine Spanierin bin, ist unschwer zu erkennen, da sich blonde Haare und blaue Augen in Spanien eher selten finden. Auf den verständnislosen Ausdruck meines Gesichts fragte sie mich, ob ich denn kein Katalanisch könne. Als ich dies verneinte, musste ich erst Rede und Antwort stehen, wie lange ich denn schon hier sei und ob ich es denn lernen würde. Dann folgte ein fünfminütiger Monolog darüber, dass man egal in welches andere Land man ginge, doch auch die Sprache lernen würde und sie eine Frau kenne, die seit acht Jahren hier lebe und kein Katalanisch lernen wolle. Als sie dann von mir abgelassen hatte, konnte ich sie von einem anderen Gang aus beobachten, wie sie sich sehr aufgebracht weitere zehn Minuten bei der Supermarkt-Mitarbeiterin über dieses Thema ausließ.

Verstehen Sie mich nicht falsch! Selbstverständlich bin ich der Meinung, das man wenn man vorhat, einige Jahre in Katalonien zu leben, auch die Sprache lernen sollte. Aber dies von jemanden zu verlangen, der einen sechsmonatigen Aufenthalt hier plant, scheint doch übertrieben. Ein weiteres nettes Beispiel für den Nationalstolz der Katalanen präsentierte sich mir gleich an meinem zweiten Tag in Barcelona. Gerade war das Endspiel der Europameisterschaft vorbei und die Spanier hatten die Deutschen besiegt und wir, eine Meute Deutscher, machten uns auf, um mit den Spaniern ihren Sieg zu feiern. Auf dem Weg zur Metro erklärte ein Bekannter von mir einem vorbeikommenden Hund, dass sie, die Spanier, gewonnen hätten. Die Hundehalterin war da aber ganz anderer Meinung: “Er ist nicht spanisch, er ist Katalane!“

Erklärt ist die katalanische Haltung schnell anhand der Geschichte Kataloniens. Über Jahrhunderte hinweg hatten die Katalanen unter der Unterdrückung der Kastilier, mit Madrid als Hauptstadt, zu leiden. In der Regierungszeit Francos war es ihnen sogar verboten, Katalanisch zu sprechen. Mit diesem Hintergrundwissen kann man die Haltung der Katalanen gleich viel leichter verstehen. Um sich bewusst von dem Rest von Spanien abzugrenzen, wird einiges getan. So wurde Barcelona 2004 offiziell zur Anti-Stierkampf-Stadt erklärt und zudem als Gegenbild zum Wahrzeichen Kastiliens, dem Stier, als katalanisches Symbol-Tier der Esel eingeführt. Und zu Ehren der Patronin von Barcelona, der Mercé, wird Barcelona gleich zehn Tage lang in ein gar nicht endendes Fest verwandelt.

Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Pflege der katalanischen Kultur gewidmet. So sind zahlreiche der bekannten Menschentürme zu sehen sowie Straßenumzüge mit den typischen riesigen Figuren und vieles mehr. Falls Sie ein Neuling in Katalonien sind, werden Ihnen nach der Lektüre dieses Textes einige typische Fehler im Umgang mit den Katalanen sicher nicht passieren, so dass Sie die interessante katalanische Kultur und die Menschen, ohne ins Fettnäpfchen zu treten, kennen lernen können.

Viel Glück!

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