HINTERGRUND: Spanien und der Bologna-Prozess

04.05.2009 - Julia Macher 

Laut eine Studie der Europäischen Kommission gehört Spanien zu den Klassenletzten der Europäischen Union bei der Umsetzung der Kriterien für einen einheitlichen Hochschulsektor: Das Land zählt zu der Gruppe, in der weniger als Dreiviertel der Studiengänge nach ECTS-System verrechnet werden. Für das Diploma Supplement, das Zertifikat, das die internationale Vergleichbarkeit der Studiengänge gewährleisten soll, muss in Spanien im Gegensatz zu anderen EU-Ländern immer noch gezahlt werden.

Zudem hat „Bologna“ bei den spanischen Studenten einen denkbar schlechten Ruf. Seit Monaten wird an den Universitäten gegen den „Plan Bologna“ protestiert, in Barcelona verbarrikadieren sich mehrere Dutzende wochenlang im Hauptgebäude, bis der Rektor die Uni räumen lässt. Sie fürchten die „Privatisierung des Hochschulwesens“ und chronisch unterfinanzierte Oberflächenreformen. „Wie sollen wir weniger Vorlesungen und mehr Seminare anbieten, wenn gleichzeitig die Personalkosten eingefroren werden“, fragt sich etwa Ermengol Gassiat, Sprecher der Bologna-kritischen Dozentenvereinigung Assemblea PDI-PAS.
Nach Ansicht des Archäologie-Dozenten sind das Problem weniger die Bologna-Empfehlungen selbst, als vielmehr ihre Umsetzung im Rahmen des 2001 verabschiedeten Hochschulrahmengesetzes L.O.U.

Das umstrittene Gesetz, das den Wettbewerb unter den Universitäten fördern will, sieht unter anderem vor, dass eine Art externer Aufsichtsrat, in dem auch Wirtschaftsvertreter sitzen, Leistungen und Budgets der Unis überwacht. Konzipiert als Bindeglied zwischen Gesellschaft und Hochschule, gilt das Gremium manchen als Beweis für die schleichende Privatisierung der Universitäten. Dass im Rahmen der Europäisierung festgeschrieben wurde, „Studiengänge künftig nach konkreten Berufsfeldern zu gestalten“, ist Wasser auf den Mühlen dieser Kritiker.

Während in anderen Ländern Bachelor-, Master- und Doktorstudiengänge schon längst die Regel sind, wird in Spanien noch erregt über den Sinn des Ganzen diskutiert: Durch das jahrelange Hickhack um das Hochschulgesetz hat man die Umsetzung der Bologna-Kriterien verschleppt: Erst 2007 begann die Umstellung auf das dreigliedrige System. Benjamín Suárez, Professor für Bauingenieurwissenschaften an der Polytechnischen Universität Katalonien, hat jahrelang als Bologna-Promotor gearbeitet, bevor er das Amt enttäuscht über die starren Strukturen niederlegte. Er sieht im unflexiblen spanischen Universitätssystem, in dem Studiengänge zum Teil vom Ministerrat geregelt werden, den Grund für die Verzögerungen. „Außerdem fehlte es der Regierung an Führungskraft. Mal ging es in die eine, mal in die andere Richtung.“

Drei Mal wechselten die Bildungsminister in den letzten fünf Jahren; immer wieder wurde das Vorhaben vertagt. Derzeit entspricht laut Suárez gerade mal ein Drittel der Studiengänge an den 77 spanischen Universitäten den europäischen Kriterien. Dabei soll der europäische Bildungsraum bereits 2010 Realität sein... Für den frisch gebackenen Bildungsminister Ángel Gabilondo, den ehemaligen Vorsitzenden der spanischen Rektorenkonferenz, gibt es also noch einiges zu tun.

Mehr Info:
Die Studie über das Vorankommen der einzelnen Länder beim Bologna-Prozess finden Sie hier http://eacea.ec.europa.eu/about/eurydice/documents/099EN_HE2009.pdf
Das spanische Bologna-Programm wird hier vorgestellt:
www.queesbolonia.es

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