KOMMENTAR: Kindererziehung läuft in Spanien anders, aber auch nicht schlechter

28.06.2007 - Jana Reiss 

Spanier sind kinderfreundlich, keine Frage. Das Erste was einem bei einem Rundgang durch Madrid auffällt, sind die unzähligen schönen Spielplätze (freilich oft an für deutschen Geschmack eher ungewöhnlichen Stellen, z.B. auf dem begrünten Mittelstreifen des verkehrsreichen Paseo del Prado). Und wer einmal mit einem Baby durch die Straßen Madrids gelaufen ist weiß, dass wirklich jeder Spanier einem Glauben macht, man fahre das süßeste, perfekteste Kind der Welt spazieren. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings, dass jeder ungefragt seine Finger in den Kinderwagen steckt und „tutsi-tutsi“ macht. So oder so ist es schön zu sehen, welche Aufmerksamkeit kleinen Kindern in Spanien geschenkt wird.Die Kinderfreundlichkeit hört da auf, wo es um banale Dinge des täglichen Lebens wie Bus- oder Metrofahren geht. Bis letztes Jahr durfte man den Bus beispielsweise nur mit zusammengeklapptem Kinderwagen und Baby auf dem Arm betreten. Und auch jetzt ist es noch so, dass bei gut gefüllten Bussen nicht wie für jeden anderen Fahrgast zusammengerückt wird, sondern der Kinderwagen einfach draußen bleiben muss. Eine Freundin erzählte mir, dass sie erst mit dem fünften Bus mitfahren durfte.Insbesondere für Mütter, die mit Kleinkindern nach Madrid ziehen, sind die Unterschiede zu Deutschland nicht zu übersehen. Wo sind die ganzen Spielgruppen, Baby-Massage- und Rückbildungskurse? Und wo sind überhaupt die ganzen Kinder und Mamas? Jedenfalls bis 17 Uhr fühlt man sich ziemlich alleine. Auf den Spielplätzen trifft man allenfalls auf ein paar südamerikanische Kindermädchen oder Großeltern. Aber Kontakt zu spanischen Mamas (sofern man der Sprache mächtig ist) – Fehlanzeige! Die Erklärung ist einfach: Der ganz überwiegende Teil der spanischen Mütter bleibt lediglich 4 Monate nach der Geburt zu Hause (in dieser Zeit beziehen sie ihr Gehalt weiter) und geht dann wieder voll arbeiten. Von der gesetzlichen Möglichkeit einer sog. „Excedencia“ (unbezahlte Freistellung) machen sie keinen Gebrauch. Hierfür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Da das Leben in Madrid extrem teuer ist, können sich viele Familien eine Excedencia nicht leisten. Ein anderer Grund ist, dass Excedencias in spanischen Firmen noch immer nicht gerne gesehen werden (gleichwohl sich durch die Internationalisierung der spanischen Firmen die Einstellung etwas zu ändern scheint) und Mütter, die sich trotzdem dafür entscheiden, mit kleineren und größeren Schikanen „abgestraft“ werden. Die positive Kehrseite der Medaille ist das wirklich gute Angebot an Kinderkrippen. Auch wenn man sich nicht mit dem Gedanken anfreunden kann, sein Baby mit 5 Monaten den ganzen Tag wegzugeben, so hat man doch die Freiheit, später von dem tollen Angebot Gebrauch zu machen. Unser Sohn fing mit 15 Monaten für 3 Stunden am Tag an (nicht ohne große Fragezeichen aus unserem deutschen Verwandten- und Freundeskreis, was das Kind schon so früh in der Krippe solle) und es ist fantastisch, wie liebevoll und intensiv mit den Kindern gearbeitet wird. Die spanische Kinderkrippe ist alles andere als eine Aufbewahranstalt. Da können wir Deutschen uns eine Menge abschauen!Nach 2,5 Jahren mit Kleinkind in Madrid (unser Sohn war 3 Monate alt, als wir nach Madrid zogen), habe ich festgestellt, dass Deutsche und Spanier das Wort „kinderfreundlich“ unterschiedlich definieren. Es gibt in jedem Land Dinge, die besser oder schlechter sind und die man bis zu einem gewissen Grad auch akzeptieren sollte, wenn man sich dort, wo man lebt, wohl fühlen möchte. Die Kinder scheinen die Unterschiede jedenfalls nicht zu stören, denn ich kann nicht erkennen, dass die spanischen Kinder im Durchschnitt glücklicher oder unglücklicher sind als die deutschen.

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