HINTERGRUND: Català emprenyat und die Parlamentswahlen

23.02.2008 - Julia Macher 

In Spanien hat die heiße Phase des Wahlkampfes begonnen. Die Nachricht, die zum Auftakt dazu aus Katalonien kam, dürfte die Politiker alarmiert haben. Denn in der autonomen Region zeichnet sich eine extrem niedrige Wahlbeteiligung ab. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts der Generalitat CEO werden nur 59 Prozent der Katalanen am 9. März sicher Wahlzettel und Stift zur Hand nehmen, das sind acht Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Nach den Gründen für die offenkundige Distanz zum politischen Großereignis des Jahres muss man nicht lange suchen. 63,4 Prozent der Katalanen sind unzufrieden mit der gesamtspanischen Politik, viele fühlen sich von Madrid vernachlässigt. Vor allem das Thema Infrastruktur hat in den letzten Monaten Konfliktstoff geliefert. Medien und Meinungsforscher umschreiben das Phänomen gerne mit dem Begriff des „català emprenyat“, des „wütenden Katalanen“.

Geprägt hat den Begriff der Journalist Enric Juliana von der Tageszeitung La Vanguardia. Er umschreibt die Empfindungen, die viele im Sommer 2007 hatten: Die Verzögerung beim Ausbau der Hochgeschwindigkeitslinie AVE, der Zusammenbruch des Schienennahverkehrs und der große Stromausfall galten als Folgen der dauerhaften Benachteiligung durch die Regierung in Madrid. Viel war die Rede vom „chronischen Investitionsdefizit“, nach dem Katalonien in den letzten fünfzehn Jahren im Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Bedeutung und seinem Anteil an Gesamtbevölkerung zu wenig Geld erhalten habe. So hätten die Investitionen aus Madrid nie die 12 Prozent-Marke überschritten, während die Region immerhin 16 Prozent der Bevölkerung stellt und mit 18,8 Prozent einer der größten Einzahler in den Gesamthaushalt ist. Auch wenn das neue Autonomiestatut den Finanzausgleich im Sinne der Katalanen korrigiert, haben die offenkundigen Mängel in der öffentlichen Infrastruktur die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Katalonien und Zentralstaat zusätzlich belastet.

Der „wütende Katalane“ wurde zum stehenden Begriff und diente den unterschiedlichsten Kollektiven als Mobilisierungsstrategie. Eine Betroffeneninitiative der Schienennahverkehrsnutzer (Catala Emprenyat), der es um konkrete Verbesserungen des ÖPNV ging, verwendete ihn ebenso wie die nationalistische Plataforma pel Dret a Decidir, die zur Großdemonstration am 1. Dezember aufrief und am Wahlsonntag Unterschriften für ein Referendum zur Unabhängigkeit sammeln will.

Das Wahlverhalten der „wütenden Katalanen“ bereitet vor allem den Beratern der PSOE Kopfzerbrechen. Vor die Wahl zwischen PSOE und PP gestellt, neigen die Katalanen wegen des zentralistischen Kurses der Volkspartei und antikatalanischer Ressentiments einiger ihrer Politiker zwar prinzipiell den Sozialisten zu; von Zapatero fühlen sich viele allerdings persönlich enttäuscht. Mit dem Boykott der Wahlen oder einem „voto en blanco“ könnten sie den Präsidenten für das Nahverkehrschaos und die ungeschickten Verhandlungen über das Autonomiestatut abstrafen wollen.

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