Hat Flamenco noch Zukunft?

26.01.2010 - Das Gespräch führte Stefanie Claudia Müller  

Curra Jiménez hat ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. Sie hat eine klassische Tanzausbildung gemacht und sich dann in 50er Jahren auf Flamenco spezialisiert. Während in Spanien Diktator Franco ein hartes Regime führte, reiste sie nach Russland und den USA, um den spanischen Tanz vorzuführen. Sie erlebte nichts von den Hungerjahren und dem Druck Francos. Sie tanzte und war frei, acht Jahre lang sogar an der Seite des unvergesslichen Antonio Gades. Sie heiratet einen Tänzer, bekommt zwei Kinder und wird sesshaft. Die heute 71-Jährige hat mit Flamenco viel Geld verdient, später als Lehrerin am Konservatorium in Madrid, anschließend mit ihrer eigenen Akademie in San Sebastián de los Reyes.

Wie sehen Sie heute die Chancen für junge Tänzer?

Der spanische Tanz ist bei uns nicht mehr angesagt. Flamenco schätzt man mehr in Japan als in Spanien. Das ist absurd, hat aber vielleicht auch damit zu tun, dass unser Land sich in allen Ecken wehrt, eine eigene einheitliche Kultur zu haben.

Kann man als Tänzer heute noch Geld verdienen?

Ich habe damals sehr gut verdient, ich mußte auch viele Opfer auf mich nehmen, kann dafür aber auch heute sagen, dass ich gut lebe. Ich habe mein eigenes großes Haus, mir geht es gut und ich lebe bis heute vom Tanzen. Aber die Zeiten haben sich sehr geändert. Heute ist die Nachfrage nach Flamenco-Aufführungen nicht mehr so groß, Flamenco-Musik wird nicht mehr so sehr geschätzt, viele Flamenco-Bars schließen oder verkümmern zu Tourismus-Fallen. In Japan dagegen wächst das Interesse. Junge Tänzer sollten deswegen bereit sein, ins Ausland zu gehen, sonst werden sie mit dieser Kunst nicht überleben können.

Joaquín Cortés ist in Deutschland ein großer Star und nicht nur dort. Er präsentiert einen anderen Flamenco als Sie ihn kennen. Halten Sie ihn für zu kommerziell?
Er hat nur einen solchen Erfolg, weil er ins Ausland gegangen ist. Er ist das beste Beispiel dafür, dass man heute Spanien verlassen muss, um Geld zu verdienen. Joaquín Cortés ist viel mehr als ein Tänzer, er ist ein Sex-Symbol. Ich finde es ein bisschen schade, dass man kaum noch den reinen und puren Flamenco findet, seine Kompagnie ist ein Ballett-Flamenco. Aber der reine spanische Tanz lässt sich wohl nicht mehr verkaufen, die Leute wollen die light-Version.

Was für Flamenco gilt, gilt das also auch für den spanischen Tanz insgesamt?
Auf jeden Fall. Die nationalen Tanz-Kompagnien sind fast nur noch auf Tournee, anders lässt sich das heute nicht mehr finanzieren. Sie gastieren nur noch in Spanien, sind vielleicht zwei Wochen im Jahr hier. Tanz hat allgemein in Spanien an Bedeutung verloren, auch das Ballett. Überall schließen Schulen. Vielleicht ist das auch eine Folge der Globalisierung, wir finden immer das toll, was von außen kommt, aber schätzen nicht mehr unsere eigene Kultur.

Was raten Sie einem jungen Menschen, der Tänzer werden will?
Er muss sehr gut sein, eine sehr gute Ausbildung haben und den Willen besitzen, viel Zeit zu opfern und dafür nicht soviel Geld zu verdienen wie man in anderen Berufen für einen gleichen Aufwand verdienen würde. Heute verdient man definitiv weniger Geld als noch zu meiner Zeit.

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