INTERVIEW: „Viele Geschäftsbeziehungen scheitern an kulturellen Hindernissen.“

26.08.2008 - Julia Macher 

Interkulturelle Kompetenz ist mehr als zu wissen, ob man chinesische Geschäftspartner mit Verbeugung oder Handschlag begrüßt. Es ist, so Anne Rupp, „die Fähigkeit sich im internationalen Kontakt angemessen und effektiv zu verhalten.“
Die interkulturelle Trainerin, zu deren Kunden unter anderem Sony Spanien und E.ON zählen, hilft Geschäftsleuten und Arbeitnehmern, ihre ausländischen Kollegen und Businesspartner zu verstehen. In Workshops sensibilisiert sie die Teilnehmer für Unterschiede im Kommunikationsstil, Auftreten und Geschäftsgebaren. Dass sich Anne Rupp dabei vor allem auf Deutschland und Spanien konzentriert, liegt nahe: Knapp zehn Jahre pendelte die Philologin und Soziologin zwischen beiden Ländern, bevor sie sich 2003 in Barcelona niederließ und als zertifizierte interkulturelle Trainerin selbständig machte (www.intercultural-link.com).

Ein Gespräch über den „kleinen kulturellen Unterschied“, der auch im Umgang zwischen Deutschen und Spaniern zum großen Stolperstein werden kann.

Frau Rupp, gibt es so etwas wie das klassische Missverständnis, über das fast alle Deutsche stolpern, wenn sie anfangen in Spanien zu arbeiten?

Ein großes Hindernis ist anfangs die Art der Kommunikation. Nicht nur in Spanien, sondern in vielen Ländern ecken die Deutschen durch ihren sehr direkten Kommunikationsstil an. Für Deutsche ist es ein Ideal, explizit zu sagen, wie sie die Dinge sehen - auch wenn es sich um Negatives handelt. In Ländern mit einem indirekteren Kommunikationsstil wie Spanien wird Kritik „verpackt“. Wenn beispielsweise eine Lieferung nicht eintrifft, schreibt der prototypische Deutsche: „Guten Tag, die Lieferfrist war am 30. Juli. Sie haben sie nicht eingehalten. Ich bitte um Rückmeldung.“ In Spanien dagegen wird zuerst eine persönliche Basis aufgebaut durch Nachfragen nach dem Befinden oder dem Wetter und dann indirekt gemahnt durch Formulierungen wie „Vielleicht haben Sie übersehen...“, „wahrscheinlich können Sie sich erinnern...“.

Wenn solche unterschiedlichen Kommunikationsstile ungefiltert aufeinanderprallen, kann dann der Geschäftskontakt abbrechen?

Nach Studien scheitern zwischen 30 und 70 Prozent der internationalen Geschäftsbeziehungen auf Grund von kulturellen Hindernissen. Doch auch wo es nicht zum Bruch kommt, zum Beispiel zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft eines Konzerns, berichten viele von extremen Missstimmungen, gerade wegen der unterschiedlichen Kommunikationsstile. Da wird über die schlecht erzogenen, brüsken Deutschen geschimpft oder die ewig herumlavierenden Spanier.

„Chaoten“ gegen „cabezas cuadradas“ also. Woran liegt es, dass wir so schnell in die Klischeekiste greifen?

Für Deutsche ist im allgemeinen Planung wichtiger als Flexibilität, bei den Spaniern ist es meist umgekehrt. Jeder nimmt den anderen nach seinen eigenen kulturellen Normen wahr und beurteilt ihn danach, Abweichungen bewerten wir erst einmal negativ, und so kommt es zu Interpretationen wie „chaotische Spanier“ oder die Deutschen als „cabezas cuadradas“. Aber es ist natürlich nicht so, dass eine Art nur positiv oder negativ ist, sondern jede Vor-und Nachteile hat. In meinen Trainings versuche ich das sichtbar zu machen, so dass sich die Teilnehmer bewusst je nach Erfordernis für den einen oder andern entscheiden können.

Wie lässt sich denn das Beste aus „deutschen“ und „spanischen“ Marotten holen?


Zum Beispiel beim Thema Meetings: In deutschen Firmen werden die Punkte der Tagesordnung normalerweise sehr ausführlich formuliert, jeweils ein Zeitrahmen gesteckt, der auch eingehalten wird. In Spanien ist der Zeitrahmen fließender, die Themen sind nicht so genau definiert. Die deutsche Methode garantiert, das alles Geplante besprochen wird, lässt aber keinen Platz für Kreativität - bei der spanischen verhält es sich umgekehrt. Wer das weiß, kann sich je nach Situation für den einen oder anderen Stil entscheiden: Um eine neue Marketingkampagne zu entwerfen, eignet sich eine „spanische Agenda“ besser; um operative Vorgänge zu überprüfen, ist eine „deutsche Agenda“ von Vorteil.

Lassen sich solche unterschiedlichen Verhaltensweisen erklären? Viele Deutsche, die in Spanien arbeiten, wundern sich beispielsweise darüber, wie wichtig hier der persönliche Kontakt ist. Ohne den scheint nichts zu laufen...

Dieses Phänomen hat zumindest einen wissenschaftlich zu erklärenden Hintergrund. In einer Studie wurde einmal untersucht, wie es um das Vertrauensniveau in unterschiedlichen Gesellschaften auf der ganzen Welt bestellt ist. Dabei antworteten auf die Frage „Glauben Sie, dass man der Mehrheit der Menschen vertrauen kann?“ sehr viel mehr Spanier mit „Nein“ als Deutsche. Das Vertrauensniveau ist hier also wesentlich niedriger. Wenn man mit jemanden zusammenarbeiten will, muss der erst einmal beweisen, dass er das Vertrauen verdient hat - und das lässt sich am besten über ein persönliches Verhältnis aufbauen. In Skandinavien dagegen ist das Vertrauensniveau im Durchschnitt sehr hoch, man fängt sofort an zu arbeiten.

Wie groß sind eigentlich die Unterschiede im Geschäftsgebaren zwischen den prototypischen Katalanen, die sich ja oft eher als Mitteleuropäer denn Südeuropäer sehen, und Madridern oder Andalusiern?

Es gibt zwar regionale Differenzen beispielsweise im Zeitmanagement oder im Einhalten von Deadlines, aber die fallen im internationalen Vergleich wenig ins Gewicht. Da überwiegen die Gemeinsamkeiten in so grundlegenden Dingen wie einem eher indirekten Kommunikationsstil. Allerdings gilt generell: Es handelt sich bei solchen Phänomenen immer nur um Tendenzen, von denen das einzelne Individuum erheblich abweichen kann.


Das Interview führte

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