KOMMENTAR: Progressiver Einspeisetarif könnte spanische Solarenergie retten

27.09.2008 - Philippe Welter 

Fördermodelle für Solarstrom gibt es viele. Die erfolgreichsten basieren auf einer festgelegten Vergütung für den in das Netz eingespeisten Solarstrom. Diese wird dann verbunden mit der Verpflichtung der Netzbetreiber, den angebotenen Strom auch jederzeit vollständig abzunehmen. Der Gesetzgeber definiert hierbei üblicherweise einen fixen Einspeisetarif, der über eine feste Laufzeit von beispielsweise 20 oder 25 Jahren gezahlt wird. Bei der Festlegung dieser Vergütung wird so verfahren, dass der Anlagenbetreiber im Laufe der Jahre – bei einer störungsfrei laufenden Anlage – so viel Geld einnimmt, dass er den Kaufpreis der Anlage nebst einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet.

Bei den heutigen Anlagenpreisen entstehen so in Abhängigkeit von der solaren Einstrahlung im jeweiligen Land Vergütungssätze, die mehr oder weniger deutlich über den landesüblichen Haushaltsstromtarifen liegen. Nun läuft eine Solarstromanlage ja einige Jahrzehnte, und währenddessen steigen natürlich die Strompreise.

Die Erzeugung aus fossilen Rohstoffen wie Öl und Kohle wird mit der ständigen Verteuerung eben dieser Rohstoffe permanent teurer, die Inflation lässt sowohl die Arbeitslöhne als auch die Ersatzteilpreise immer stärker steigen. Die Einspeisevergütung einer einmal ans Netz gegangenen Anlage bleibt hingegen konstant. So wird der Tag kommen, an dem der von ihr erzeugte Strom billiger ist als bei der fossilen Konkurrenz.

Wäre es im Wettbewerb zwischen dem Solarstrom einerseits und dem konventionellen Strom andererseits deshalb nicht einfach nur fair, wenn der Solarstrom im Laufe der Zeit eine ansteigende Vergütung erhielte? Durch die zusätzlichen Einnahmen in der zweiten Hälfte der Laufzeit könnte zudem die Vergütung am Anfang der Laufzeit abgesenkt werden. Das würde die politische Debatte um die vermeintlich unerschwinglich teure Förderung der Photovoltaik in eine ganz neue Richtung bringen.

Den Anlagenbetreibern könnte es unter dem Strich egal sein: Werden Anfangsvergütung und Progression nämlich richtig gewählt, so erhalten sie über die gesamte Laufzeit der Vergütung schließlich den gleichen Geldbetrag. Natürlich müsste der Inflation Rechnung getragen werden und ebenso der Tatsache, dass die Stromproduktion der Solaranlage mit zunehmendem Alter etwas nachlässt.

In Spanien soll die Förderung für Solarstrom radikal begrenzt werden. Zuletzt hatte die Sorge überhand genommen, dass sie bei ungebremstem Zubau von Photovoltaikanlagen letztlich unbezahlbar wird. Hier kommen noch zwei hausgemachte Faktoren hinzu. Zwar werden auch in Spanien die Mehrkosten der Solarförderung auf die Strompreise umgelegt, da aber der Staat versucht, die Strompreise durch Zuschüsse aus Steuermitteln auf niedrigem Niveau stabil zu halten, wird die Solarförderung letztlich aus dem Staatshaushalt bezahlt.

Zudem hat Spanien einen exorbitant hohen Einspeisetarif. Selbst die jetzt vorgesehene Revision garantiert beispielsweise für Freiflächenanlagen noch 29 Cent pro Kilowattstunde. An guten Standorten mit einem Solarstromertrag von 1 400 Kilowattstunden pro Kilowatt-Anlagenleistung kommt man so auf jährliche Einnahmen von 406 Euro pro Kilowatt. In Deutschland gibt es ab 2009 zwar 32 Cent pro Kilowattstunde, allerdings liegt der Ertrag auch nur bei rund 1 000 Kilowattstunden und mithin 320 Euro pro Kilowatt.

Allein aufgrund dieser Differenz von über 26 Prozent ist der Vorwurf der Überförderung nachvollziehbar. Überträgt man die in Deutschland üblichen Baukosten für Freiflächenanlagen auf Spanien, so wäre ein linearer Einspeisetarif von knapp 23 Cent angemessen. Doch angesichts der verfahrenen Diskussion in der Novelle der Einspeisetarife würde wohl selbst dieser Tarif das Wirtschaftsministerium nicht davon abbringen, die Förderung der Photovoltaik insgesamt zu deckeln.

Das, und nicht die beschlossene Absenkung der Vergütungshöhe, ist die Katastrophe für Spaniens Solarbranche. Bei einem progressiven Tarif sähe die Welt ganz anders aus. Man könnte beispielsweise für die Progression einen Wert von fünf Prozent pro Jahr ansetzen, was ungefähr der erwarteten Steigerung der Stromerzeugungskosten konventioneller Kraftwerke entsprechen dürfte. Unter dieser Annahme und bei einer Laufzeit der Förderung von 25 Jahren ergäbe sich ein Einspeisetarif von anfangs lediglich 13 Cent. Das liegt zwölf Prozent unter dem heutigen Haushaltsstrompreis von 15 Cent. Im Laufe der Jahre steigt natürlich der Einspeisetarif immer weiter an. Aber der Preis für konventionell erzeugten Strom wird ebenfalls steigen. Und wenn dies erwartungsgemäß mit einer Rate von mindestens fünf Prozent pro Jahr geschieht, dann bleibt der Solarstrom während der gesamten Vergütungsdauer billiger als der Endkundenpreis für konventionellen Strom.

Zugegeben: Die Rechnung ist ein wenig vereinfacht, weil natürlich auch für Solarstrom Übertragungskosten anfallen, die im Haushaltsstrompreis bereits enthalten sind. Dafür werden Solarkraftwerke anfangs vor allem teuren Spitzenlaststrom ersetzen – wenn im Sommer zur Mittagszeit die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Die entscheidende Aussage bleibt somit unter dem Strich: Strom aus Photovoltaik kann bereits heute in südlichen Ländern wie Spanien kostenneutral in den Markt eingeführt werden.

Wer das nicht glaubt, sollte noch ein paar Jahre weiterdenken. Denn das genannte Rechenbeispiel mit einer Anfangsvergütung von 13 Cent je Kilowattstunde gilt für eine Anlage, die Anfang 2009 in Betrieb geht. Schon zwei Jahre später liegt der Strompreis bei einer Steigerung von fünf Prozent jährlich bei 16,5 Cent je Kilowattstunde, die Kosten für Solarstromanlagen sind aber in diesen zwei Jahren um voraussichtlich rund 20 Prozent gefallen. Die Eingangsvergütung kann also, bei gleichbleibender Rendite für die Anlagenbetreiber, auf 10,6 Cent sinken. Noch einmal zwei Jahre später kostet konventioneller Strom den Endkunden schon über 18 Cent, und der Einstiegstarif für neue Anlagen kann auf 8,6 Cent sinken.

Damit könnte Solarstrom mit dem Erzeugungspreis neu gebauter Kohlekraftwerke konkurrieren – eigentlich kaum vorstellbar, dass sich für die fossile Stromproduktion dann noch eine Bank oder ein Investorenkonsortium findet. Allerdings verändern sich für die Finanzwelt natürlich auch die Bedingungen bei Investitionen in Photovoltaik.

Für einen Geldgeber ist der Zeitpunkt wichtig, ab dem ein Investment die nominal investierte Summe wieder eingespielt hat. Bei einem linearen Tarif aus unserem Beispiel ist das im elften Betriebsjahr der Fall. Bei einem progressiven Tarif rückt dieser Zeitpunkt in die Zukunft, da am Anfang ja geringere Einnahmen zu verzeichnen sind.

Der Effekt ist aber gar nicht so dramatisch wie man vielleicht vermuten könnte: Die Gewinnschwelle wird beim progressiven Tarif bereits im vierzehnten Betriebsjahr erreicht. Fondsgesellschaften könnten sogar ihre Freude an einem progressiven Tarif haben. Nicht wenige Finanzprodukte sind ja aus steuerlichen Gründen sogar darauf ausgelegt, den Anlegern zunächst eher geringe und später dann wachsende Renditen zu bescheren. Warum sollte also nicht auch der Finanzsektor, der mit dem spanischen Solarboom bislang sehr schnell sehr viel Geld verdient hat, ein klein wenig langfristiger kalkulieren?

Philippe Welter

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