NEWS. Das Risiko der Entstehung einer unbeschränkten Steuerpflicht in Spanien

02.11.2014 - Dr. Javier Valls, Javier Valls Abogados 

Das Risiko der Entstehung einer unbeschränkten Steuerpflicht in Spanien ohne Wohnsitz auf spanischem Territorium

Entgegen einer weitläufig verbreiteten Meinung wird die Steuerpflicht nicht in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sondern durch die nationalen Gesetze geregelt. Artikel 4 Abs. 1 des DBA zwischen Spanien und Deutschland regelt beispielsweise, dass jemand in einem Staat steuerpflichtig ist, wenn er dort  “nach dem Recht dieses Staates, eines seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften, aufgrund seines Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, Orts seiner Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.”

In der Regel ging man davon aus, dass eine Person dann in einem Staat steuerpflichtig ist, wenn sie sich mindestens 183 Tage eines Jahres in diesem Staat aufhält. Dieses Kriterium wird in den Staaten unserer Umgebung angewendet (in Spanien gemäss Art. 9.1.a) Einkommensteuergesetz). Allerdings besteht noch ein weiterer, häufig unbekannter, aber immer öfter vorliegender Grund für die Entstehung einer unbeschränkten Steuerpflicht, der in Spanien mit „núcleo principal o base de actividades o intereses económicos“ (“Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und Interessen”) bezeichnet wird (Art. 9.1.b) Einkommensteuergesetz). Als Folge der Entstehung der unbeschränkten Steuerpflicht über diesen Tatbestand kommt es auch zur Besteuerung des sog. Welteinkommens des Steuerpflichtigen in Spanien (d.h. aller weltweit erzielten jährlichen Einkünfte).

Dieses zweite Kriterium für die Entstehung der unbeschränkten Steuerpflicht hat seinen Ursprung in den DBA-Musterabkommen, jedoch mit einem grossen Unterschied: Diese Abkommen beziehen sich in der Regel auf den “Mittelpunkt des Lebensinteresses”, während die spanische Gesetzgebung ausschliesslich auf die wirtschaftlichen Aspekte abstellt. Das Verhältnis zwischen diesen Kriterien ist in Spanien nicht unumstritten, und die spanische Finanzverwaltung hat klargestellt, dass dieses zweite Kriterium nur auf solche Fälle angewendet wird, bei denen sich die unbeschränkte Steuerpflicht nicht bereits über das erste Kriterium, d.h. den Wohnort in Spanien, ergibt.

Hieraus ergeben sich immer wieder neue Konflikte. Kann hiernach jemand über das zweite Kriterium in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig sein, wenn er seinen gewöhnlichen Wohnsitz beispielsweise in Deutschland, jedoch einige Geschäfte in Spanien hat, wohin er auch regelmässig reist, und dessen Geschäfte in Spanien die Hauptquelle seiner Einkünfte sind; z.B. im Falle eines Rentners?
Hierbei wären zunächst die wirtschaftlichen Interessen der betreffenden Person in Spanien mit denen im Ausland zu vergleichen, wobei sich die Frage stellt, ob das Ausland (also nicht Spanien) global oder je nach Staat zu betrachten ist. Ausserdem wäre zu prüfen, ob bei den wirtschaftlichen Interessen in Spanien Kontinuität vorliegt, die wesentlicher ist als die in dem anderen Land. Keinesfalls geben bisherige Entscheidungen der Finanzverwaltung und Gerichte erhebliche Aufschlüsse zu dieser relevanten Frage, so dass letztlich die Entscheidungen nach Einzelfall zu treffen sind. Vielmehr ist der Ermessenspielraum der jeweils zuständigen Beamten sehr gross, und genau hierin liegt das Risiko. In Spanien wird das zweite Kriterium zur Entstehung der unbeschränkten Steuerpflicht genutzt, um denjenigen Steuerausländern eine Steuerpflicht aufzuerlegen, sobald die Behörden der Auffassung sind, dass deren Verbindung zum spanischen Staat grösser ist als zu dem entsprechend anderen ausländischen Staat.

Andererseits, und demselben Beispiel folgend, sind sich die spanischen Behörden bewusst, dass viele ausländische Rentner regelmässig in Spanien leben würden, es aber nicht tun, um eine unbeschränkte Steuerpflicht in Spanien zu vermeiden. Ein von der Regierung einberufener Ausschuss zur Steuerreform versuchte aus diesem Grund mittels seiner in 2014 veröffentlichten Ergebnisse darauf hinzuweisen die Rentner bei der bevorstehenden Steuerreform von den allgemeinen Vorschriften über die Entstehung der unbeschränkten Steuerpflicht in Spanien zu befreien und sie in das Sonderregimen für aus dem Ausland entsendete Arbeitnehmer nach Art. 93 des spanischen Einkommensteuergesetzes aufzunehmen.
Schlussfolgernd ist festzustellen, dass die Festlegung der unbeschränkten Steuerpflicht alles andere als unumstritten ist und teilweise von erheblicher finanzieller Belastung für den betroffenen Steuerpflichtigen sein kann. Demzufolge ist eine ausführliche vorherige Planung sehr empfehlenswert.

Dr. Javier Valls (LL.M.)
Abogado / Dozent in Steuerrecht an der Universidad de Barcelona
Javier Valls Abogados
www.valls-abogados.es

Weitere Artikels des Autors auf Barcelona für Deutsche:
Entstehung und Verlust des steuerlichen Wohnsitzes in Spanien
Das Risiko einer steuerlichen Betriebsstätte bei Versetzung ins Ausland

 

 

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