NEWS: Neuwahlen - Zapatero gibt sich geschlagen

01.08.2011 - weltonline.de / Barcelona für Deutsche 

Halb Spanien war am Freitag schon auf dem Weg in die Sommerferien, als Premier José Luis Rodríguez Zapatero die Bombe platzen ließ. Er werde die Parlamentswahlen auf den 20. November vorziehen, kündigte der Regierungschef an. Es sei eine Entscheidung, die er schon vor langer Zeit nach reiflicher Überlegung getroffen habe. Dabei hatte der 50-Jährige noch vor einem Monat ausdrücklich betont, er werde sein Mandat, das bis März 2012 geht, ausschöpfen, um den "Reformprozess" in seinem von der Euro-Schuldenkrise geplagten Land zu Ende zu bringen. Doch der Druck auf den einsamen Mann an der Spitze Spaniens war zuletzt offenbar doch zu stark geworden. Müde und abgemagert wirkte er im Moment der Ankündigung. Es waren nicht nur die Finanzmärkte, die den Regierungschef das Handtuch werfen ließen, sondern vor allem die eigene Partei, die auf einen raschen Neuanfang drängte. Vielen hatte die Tageszeitung "El País" aus der Seele gesprochen, als sie kürzlich in einem Leitartikel forderte, Zapatero solle seinem Land einen letzten Dienst erweisen und vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Nun also gibt er endlich das Zepter ab, an seinen treuen Freund und langjährigen Weggefährten Alfredo Pérez Rubalcaba. Dieser steht schon seit Monaten als Nachfolger bereit, als Einziger, der "überhaupt den Hauch einer Chance hat", wie es bei den leidenden Sozialisten inoffiziell heißt.

Der Zeitpunkt für Zapateros Rückzug scheint trotz allem gut gewählt. Rubalcaba, früher Regierungssprecher, Innenminister und Vizepremier, ist ein Allrounder, den die oppositionelle Volkspartei (PP) fürchtet, und das aus gutem Grund. Nach ihrem überwältigenden Sieg bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai glaubte Oppositionschef Mariano Rajoy den Durchmarsch bei den Parlamentswahlen so gut wie in der Tasche zu haben. Doch der neue Star Rubalcaba schaffte es binnen eines Monats, den Abstand seiner Arbeiterpartei (PSOE) zu den Konservativen von 14 auf sieben Prozentpunkte zu halbieren, wie aus der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CIS hervorgeht.

Im persönlichen Vergleich erhält der sozialistische Veteran sogar bessere Noten als sein konservativer Gegenspieler. "Es hätte keinen Sinn gemacht, Rubalcaba bis März 2011 warten zu lassen, er muss jetzt ins Rennen und die guten Umfragewerte ausnutzen", so ein Vertrauter des Sozialisten.

Unbestritten ist freilich, dass Rubalcaba von seinem Image als unnachgiebiger Jäger der Eta-Terroristen profitiert. Die spektakulären Fahndungserfolge der letzten Monate gehen vor allem auf sein Konto. Er gilt als einer der kompetentesten Politiker des Landes. Symbolhaft zog er sich am Donnerstag zur Feier seines 60. Geburtstages schon mal ein T-Shirt über. "We can do it" stand darauf. Auf den Gewinner des Urnengangs warten titanische Aufgaben. Die Arbeitslosigkeit des Landes ist mit mehr als 20 Prozent doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt, 45 Prozent der unter 25-Jährigen stehen auf der Straße. Kein Wunder, dass Spaniens Jugend der Politik den Rücken gekehrt hat.

"Wählt keinen", war das Motto der jungen "Empörten", die im Mai und Juni Spaniens Innenstädte belagerten. Aus allen Landesteilen kamen sie letztes Wochenende erneut nach Madrid, eine echte Demokratie fordernd. "Die Finanzmärkte bestimmen mittlerweile das Schicksal unseres Landes, wir werden nicht ruhen, bis sich etwas ändert", sagt Fabio Gándara, Sprecher der Bewegung 15-M. Doch auch die nächste Regierung wird so gut wie keinen Handlungsspielraum haben. Sie muss die Reformen von Zapatero zu Ende bringen, sonst wird nie Ruhe auf den Märkten einkehren.

Die Börsen hatten den Premier zu immer härteren sozialen Einschnitten gedrängt. Er ließ seine Prinzipien fahren, strich das Kindergeld, kürzte die Gehälter der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst und fror die Renten ein. Die Wähler liefen in Scharen davon. Um das linke Lager zu mobilisieren, beschwor Zapatero jetzt die Vergangenheit. Schließlich ist der 20. November der Todestag des spanischen Diktators Francisco Franco. "Zapatero hat den geschichtsträchtigen Tag für die Wahl bewusst gewählt, um die Angst vor der Wiederkehr der Rechten zu schüren", so der Soziologe Manuel Ruiz.

Rajoy, der konservative Herausforderer, hob den Fehdehandschuh auf. Ihm sei es einzig und allein wichtig, dass viele Wähler kommen und den Konservativen ein klares Mandat zur Regierungsbildung erteilten, sagte er. Das größte Hindernis für einen Wahlsieg, die Korruptionsfälle in den eigenen Reihen, hat er inzwischen aus dem Weg geräumt. So zwang er vor wenigen Tagen Francisco Camps, den konservativen Ministerpräsidenten der Region Valencia, zum Rücktritt.

Die gebeutelte Jugend kann dem erwarteten Wahlsieg der Konservativen freilich wenig abgewinnen. Erst letzten Monat, bei einer Blockade des Parlaments in Barcelona, hatten die "Empörten" gezeigt, was sie von den Politikern jeglicher Couleur halten, nämlich gar nichts. Die Abgeordneten, die über ein Sparpaket abstimmten, wurden ausgebuht und angerempelt, viele von ihnen konnten nur unter Polizeischutz ins Parlament, einige wurden per Helikopter eingeflogen. "All dies", so Ruiz, "ist kein gutes Omen für die nächste Legislaturperiode."

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