NUTZWERT: Das Vorkaufsrecht im spanischen Mietrecht

20.04.2007 - Stefan Meyer, Rechtsanwalt und Abogado 

Die Regelungen des Vorkaufsrechts im spanischen Mietrecht führen immer wieder zu interessanten Fragestellungen sowohl im alltäglichen Umgang mit diesem Rechtsinstitut als auch im Rahmen laufender Rechtsstreitigkeiten. Der vorliegende Beitrag verfolgt vor allem den Zweck, einen grds. Überblick über die wesentlichen Regelungen zu verschaffen.Das Vorkaufsrecht des MietersWie das deutsche Recht kennt auch das spanische Recht das Vorkaufsrecht des Mieters („derecho de adquisición preferente del arrendatario“). Hierdurch wird dem kaufinterressierten Mieter im Veräußerungsfall durch den Eigentümer ein bevorzugter Erwerb der Immobilie ermöglicht.An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die nachstehenden Ausführungen nur hinsichtlich solcher Mietverträge gelten, die ab dem 1. Januar 1995, d.h. mit dem Inkrafttreten des aktuellen spanischen Mietgesetzes, kurz LAU, geschlossen wurden. Ältere Mietverträge hingegen sind nicht Gegenstand dieses Kurzbeitrages und richten sich nach der Vorgängerregelung, der LAU von 1964. Die wichtigsten Vorschriften finden sich in den Art. 25 und 31 LAU wieder.VorkaufsberechtigteZum Kreis der Vorkaufsberechtigten zählt grds. nur derjenige, der auch tatsächlich im Mietvertrag als Mieter angegeben ist. Ehegatten und Kinder wären beispielsweise nicht als Berechtigte anzusehen. Zu beachten ist auch, dass das Vorkaufsrecht des Mieters nur beim Verkauf, nicht aber etwa bei einer Schenkung der Immobilie besteht (Vgl. hierzu die Gerichtsentscheidung der „Audencia Provincial de Barcelona“ vom 28.April 2000).Sinnvollerweise wird im Folgenden zwischen dem Vorkaufsrecht bei Wohnraum- und bei Gewerbemietverträgen unterschieden:Das Vorkaufsrecht bei WohnraummietverträgenDas Vorkaufsrecht ist bei Wohnungsmietverträgen (“contrato de arrendamiento de viviendas“) in Art. 25 LAU geregelt. Falls der Eigentümer also die vermietete Wohnung verkaufen will, so hat entsprechend dieser Vorschrift der Mieter das Recht, die Wohnung bevorzugt gegenüber Dritten zu erwerben.Das bedeutet wiederum nicht, dass dies automatisch kraft Gesetzes eintritt. Trotz der vielfach mieterschützenden Bestimmungen der LAU ist es im Wohnraummietrecht gestattet, das Vorkaufsrecht auszuschließen. Das Recht kann allerdings gemäß Art. 25.8 LAU nur bei Mietverträgen mit einer Laufzeit von über fünf Jahren ausgeschlossen werden.Wichtig zu beachten ist vor allem die folgende Unterscheidung: Zwei verschiedene Formen des Vorkaufsrechts des Mieters sind denkbar. Je nachdem, ob die Veräußerung noch bevorsteht – dann spricht man von „derecho de tanteo“ – oder ob sie bereits vollzogen wurde - sodann ist vom „derecho de retracto“ die Rede.Das Recht auf „tanteo“El derecho de tanteo (vgl. Art. 25.8 LAU), d.h. das Vorkaufsrecht im wortgetreuen Sinne, verpflichtet den verkaufswilligen Vermieter bzw. Eigentümer, den Mieter von der beabsichtigten Veräußerung der Wohnung, dem daraus entstehenden Vorkaufsrecht sowie von den wesentlichen Verkaufsbedingungen (etwa Zahlungsbedingungen) und dem beabsichtigten Verkaufspreis nachweisbar in Kenntnis zu setzen. Der Mieter hat ab Zustellung 30 Tage Zeit, um von dieser Kaufoption Gebrauch zu machen. Verstreicht diese Frist, ohne dass der Mieter das Vorkaufsrecht geltend gemacht hat, so kann der Vermieter die Wohnung an eine Dritten verkaufen.Gemäß Art. 25.2 LAU bleibt der Vermieter allerdings dennoch insgesamt 180 Tage an sein Verkaufsangebot gebunden. Gibt der Mieter also kein Angebot innerhalb von 30 Tagen ab, so darf der Vermieter trotzdem während einer Frist von 180 Tagen nicht von seinem ursprünglichen Verkaufsangebot abweichen und etwa einem Dritten das Objekt zu günstigeren Bedingungen anbieten. Erst wenn die 180-Tage-Frist verstrichen ist und die Wohnung noch nicht veräußert wurde, ist der Vermieter an diese früheren Vertragsbedingungen nicht mehr gebunden und kann das Objekt zu völlig anderen Bedingungen veräußern. Allerdings ist der Vermieter nach Ablauf der 180 Tage verpflichtet, den Mieter erneut von einer beabsichtigten Veräußerung in Kenntnis setzen.Das Recht auf “retracto”Es kann vorkommen, dass der Vermieter es versäumt, den Mieter von dem Verkauf oder von wesentlichen Verkaufsbedingungen in Kenntnis zu setzen. Denkbar ist auch, dass es nicht im Interesse des Vermieters ist, dass der Mieter die Immobilie erwirbt, so dass er den Mieter absichtlich entweder gar nicht von seiner Verkaufsabsicht unterrichtet oder ihm sogar falsche Vertragsbedingungen (etwa einen höheren Kaufpreis) nennt, als tatsächlich beabsichtigt, um zu verhindern, dass dieser von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Um den Mieter in einer solchen Situation zu schützen, wurde in Art. 25.3 LAU das Rechtsinstitut des „derecho de retracto“ eingeführt. Dieses gewährt dem Mieter sogar nach vollzogener Veräußerung an einen Dritten ein Eintrittsrecht und gestattet ihm so, den Dritten als Käufer zu ersetzen, und zwar zu den gleichen vertraglichen Bedingungen, zu denen der Dritte das Objekt erworben hat. Dies jedoch nur unter strikter Beachtung der Vorschrift des Art. 1518 des spanischen Zivilgesetzbuchs “Código Civil”, wonach bei Ausübung des Eintrittsrechts der Mieter den Kaufpreis und sämtliche Auslagen direkt an den Dritten zurückerstatten muss.Kein Vorkaufsrecht u.a. bei Verkauf des gesamten GebäudesZu beachten sind allerdings die folgenden Ausnahmefälle, die den Ausschluss des Vorkaufsrechts des Mieters zufolge haben:- Das Vorkaufsrecht des Mieters entfällt, wenn die vermietete Wohnung zusammen mit den anderen Wohnungen oder Geschäftsräumen, die ebenfalls im Eigentum des Vermieters stehen, innerhalb eines Gebäudes verkauft wird (Art. 25.7 LAU);- Steht die Wohnung im Eigentum mehrerer Eigentümer (etwa nach einem Erbfall) und einer der somit Miteigentümer will das Eigentum an der gesamten Immobilie erwerben, so erhält dieser kaufwillige Miteigentümer kraft Gesetzes gegenüber dem Mieter den Vorzug, so dass der Mieter von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen darf (Art. 25.4 LAU);- Gleiches gilt, wenn die vermietete Wohnung, die im Eigentum des Vermieters steht, an einen Dritten verkauft wird und zugleich alle anderen Eigentümer ihre im selben Gebäude befindlichen Räumlichkeiten an den selben Dritten veräußern.Das Vorkaufsrecht bei GewerbemietverträgenBei Gewerbemietverträgen („contrato de arrendamiento para uso distinto de vivienda“), stehen die Dinge generell etwas anders: Im spanischen Gewerbemietrecht besteht nämlich weitestgehend Vertragsfreiheit. Den Parteien steht es somit ebenso frei, einen eventuellen Ausschluss des Vorkaufsrechts zu vereinbaren und hier sogar unabhängig von der vereinbarten Vertragslaufzeit. Sollte im Mietvertrag das Vorkaufsrecht allerdings nicht ausdrücklich ausgeschlossen oder explizit etwas anderes vereinbart worden sein, so gilt Art. 31 LAU, der wiederum auf die Regelungen zum Vorkaufsrecht bei Wohnraummiete verweist.Eintragung ins GrundbuchDas Vorkaufsrecht ist auch in praktischer Hinsicht eindeutig zugunsten des Mieters ausgestaltet: Dies wird besonders deutlich daran, dass bevor der Eigentumsübergang bzgl. einer vermieteten Wohnung in das Grundbuch eingetragen werden kann, vor dem Grundbuchamt nachgewiesen werden muss, dass der Mieter von seinem Vorkaufsrecht und von den wesentlichen Verkaufsbedingungen unterrichtet wurde (Art. 25.5 LAU). Dies geschieht durch Vorlage der Verkaufsurkunde, bei der üblicherweise die genannten Voraussetzungen urkundlich Niederschlag finden.Der Verkäufer hat diese Umstände dem Notar darzulegen, d.h. dass die zuvor genannten Voraussetzungen ordnungsgemäß eingehalten wurden. Ist die Wohnung nicht vermietet, so muss dies ausdrücklich in der öffentlichen Verkaufsurkunde erwähnt werden.FazitGerade aus der Sicht eines Käufers, der eine Wohnung zur eigenen Nutzung erwerben will, ist somit stets darauf zu achten, dass in der Kaufvertragsurkunde seitens des Verkäufers ausdrücklich erklärt wird, dass die Immobilie frei von Mietern ist. Mietern hingegen sollten ihre Rechte bewusst sein, sofern kein expliziter Ausschluss des Vorkaufsrechts erfolgt, was in der Praxis häufig der Fall ist.

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