NUTZWERT: Kunstmetropole Barcelona

02.01.2008 - Anuschka Seifert 

Viele Städte auf der Welt wären sicherlich stolz darauf, die heimliche zweite Hauptstadt eines großen Landes zu sein. Und... welche “Hauptstadt” eines kleinen “Landes”, wie Katalonien, kann schon von sich sagen, dass so viele weltberühmte Künstler des 20. Jahrhunderts die Stadt, ja die ganze Welt geprägt haben? Joan Miró, Joan Brossa und Antoni Tàpies sind hier geboren und aufgewachsen, Pablo Picasso hat einen Teil seiner Jugend hier verbracht und Salvador Dali schuf einen großen Teil seines Werkes ganz in der Nähe, an der Costa Brava.

Ein mit Stolz vorgeführtes Erbe, das sicherlich zur katalanischen idée fixe geführt hat, sich in alle circuits des internationalen Kunstlebens einzuschalten. Die Sammlung romanischer Fresken (MNAC) ist zum Beispiel einzigartig auf der Welt. Interessante Ausstellungen “made in Barcelona” werden von Museen, dem Kulturzentrum CCCB oder Sparkassen-Stiftungen wie dem Caixaforum produziert, die sich dann auch auf den Weg in die weite Welt machen.

Selbstredend ist man hier stets zu höchstem Niveau verpflichtet. Dass so manche Pinakothek eine “Zwillingsausgabe” einer beliebig anderen in Oslo, Berlin, New York oder Paris sein könnte, darüber schweigt man sich lieber aus. Ganz böse Lästermäuler sprechen sogar von der “hübschen, aber leeren Schachtel”, wenn sie das Museum für Zeitgenössische Kunst MACBA meinen. Das tut man hier bevorzugt hinter vorgehaltener Hand. Der junge Kunstkritiker, Schriftsteller und Ausstellungs-kommissar Ricart Màs spricht von einer “Krise der Institutionen” die dem "Einheitsdenken" (pensée unique) zum Opfer gefallen sind”.

Dorthin, wo die Kreativen wie die Wilden schufften und schaffen, finden die Kuratoren und Kunstkritiker meist den Weg nicht. Deshalb, so Ricart Màs, “sollte man die Flyer und Gratis-Zeitschriften, die vor allem in der Altstadt in fast jeder Kneipe, in jedem Kaffee ausliegen, nicht verschmähen, wenn sich auf die Suche nach interessanter off-Kunst begibt.”


Gleria dels angels
Die Galerie des 46jährigen Wirtschaftswissenschaftler Emilio Álvarez ist so etwas wie ein ständig wachsendes Forum für im Moment etwa 20 junge Künstler. Normalerweise berät er riesige Unternehmen, definiert und koordiniert Projekte bekannter Firmen. Studiert hat er auf den besten Wirtschaftsuniversitäten in Barcelona, Paris und New York. Zugang zur zeitgenössischen Kunst, bekam er, als ein Freund ihn überredete ihm bei der Eröffnung einer Galerie zu helfen. Emilio hat eine gute Nase für junge Künstler, die es ernst meinen: “Es ist wichtig, rauszufinden, ob der Künstler, der da vor dir steht, wirklich ein unabhängiger Kreativer ist, der seinen Weg sucht und auch in der Lage ist den persönlichen Diskurs in einen universellen zu verwandeln.” Für Emilio ist klar, dass es nur dann eine Zukunft gibt,
wenn er jungen Künstler heute hilft ihre Laufbahn zu entwickeln. Für ihn ist das wie “Kinder groß ziehen”. Natürlich versuchen renommierte Galerien ihm schon mal Künstler wegzunehmen, wenn sie dann in den Startlöchern stehen.

Überraschenderweise bleiben die meisten Künstler bei Emilio. Der reißt ja auch ständig Barrieren ein, kontaktet die Künstler untereinander, damit sie sich gegenseitig helfen und stellt sie auch ihren Kunden vor. Künstler wie der sozialkritische, aber humorvolle Jaime Pitarch, der farbenfrohe Santi Moix, der sich mit Bewegung und Anhäufung, mit der Konfrontation zwischen Erde und Himmel beschäftigt, oder Olga Adelantado die sich in ihrer letzten Ausstellung (Video-installation, Fotographie, Digitaldruck) mit Hilfe von Pferdewettrennen über die Liebe als Abstraktum und Flucht, auslässt, gehören zu dieser einzigartigen Galerie, die die Diskussion über zeitgenössische Kunst immer in Bewegung hält.

Carrer dels Àngels, 16
Tel: 934 125 454, Fax: 934 125 400, info@galeriadelsangels.com, www.galeriadelsangels.com, Öffnungszeiten: Di. bis Sa. von 12 bis 14 Uhr und 17 bis 20.30 Uhr.

Foto: Skulptur von Frank Gehry am Paseo Maritimo

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