SEHENSWERT: Stadtführung: Gaudi-Tour

26.05.2012 - Laura Bugunà 

Oft kennt man in seiner eigenen Stadt viele Ecken gar nicht im Detail. Deshalb wird in den vom Stammtisch BarcelonafuerDeutsche organisierten Stadttouren besonders Wert darauf gelegt, Anekdoten, Geschichten und aktuelle Themen zu kombinieren. Diese Tour war die Fortsetzung der erfolgreichen Tour im Borne/gotischen Viertel/Raval, geführt von Rafael Heberling, so dass die Erwartungen umso höher waren.

Unsere Tour beginnt am Samstag, den 12. Mai, um 11h, an der ersten Lampensäule in der Avenida Gaudí. Der Bürgermeister Pere Falquers hat dort durch eine kleine versteckte Gaudí-Büste auf der Rückseite der Säule seine Bewunderung für den Architekten gezeigt.

Weltberühmte, moderne Architekten wie z.B. Jean Nouvel inspirieren sich in Gaudís naturgemässen Figuren und hyperbolischen Strukturen (siehe Torre Agbar). Die wirkungsvolle Raumkonzeption, der kreative Einsatz von Licht, Farbe und Konturen sind international anerkannt. Konturen, wellige Linien, Ornamente nach pflanzlichen Vorbildern, Säulen die Palmen scheinen, Schlangenlinien und andere Elemente bestimmen seine Ästhetik, eine Mischung aus Jugendstil, in Spanien ,Modernismo‘ genannt, und anderen Baustilen (neogotischer Stil und maurische Elemente). Für Gaudí ist jedes Gebäude ein atmendes Wesen, von daher wird Wert gelegt auf große Luftschächte, behelmte Kamine, großen Lichteinfall und die Vermeidung von Stützwänden dank parabolischer Wendebögen. Einige sagen, die Sagrada Familia gleicht einer Sanduhr.

Sie heißt nicht zufällig ‚heilige Familie‘: Zwölf Seitentürme krönen jedes der drei Tore, und stellen die 12 Apostel dar. Vier weitere Seitentürme - die vier Evangelisten - umgeben dann zwei Mitteltürme: Jesus und Maria. Die Türme sind in einem besonderen Stil geschaffen, sie wirken wie Leitern zum Himmel, mit einer in sich gedrehten Wendung. Ein umgekehrter Kreuzgang umgibt das Bauwerk. Die im November 2010 geweihte Basilika ist eine einzige Bibelgeschichte, ihr Schiff beschreibt in den verschiedenen Eingangstoren die Geschichte seit der Geburt Jesu, über sein Leben und den Leidensweg bis hin zur Auferstehung und Hingebung der Gläubigen. Gaudí beginnt im Jahre 1883 mit dem Auftrag der Sagrada Familie, seit seinem Tod 1926 haben verschiedene Stadtarchitekten das Projekt weiter fortgeführt, wobei leider viele Skizzen verloren gegangen sind, sodass neue Stile eingeführt werden.

Im Weihnachtsportal sehen wir, wie Schildkröten, Chamäleons und mehr als 20 weitere Tierarten die Geburt Jesu und die Geschichte von Maria und Josef betrachten. Wir achten auf den Pelikan, Symbol der Eucharistie, die Leiter zum Himmel, bis hin zum Lebensbaum, umgeben von Tauben, und auf seiner Krone eine Taube und ein Kreuz, Symbole der ewigen Herrlichkeit. Das Gloria-Portal befindet sich zur Zeit in einer intensiven Bauphase, es ist im katalanischen Jugendstil entworfen, und in seinem Tor ist das ‚Vater unser‘ in katalanischer Version eingraviert. Vor diesem Tor soll in der Zukunft ein großer Park entstehen, zumal es das Hauptportal sein wird, welches direkt zur Apsis führt. Das Passionsportal, entworfen vom Bildhauer Jordi Subirachs, beschreibt den Leidensweg Christi. Wir sehen neben dem Kuss des Judas das magische Quadrat von Subirachs. Es gibt 310 Möglichkeiten, aus den Zahlen durch Summation 33 zu erhalten, das Alter von Jesus Christus als er gekreuzigt wurde.

Einigen Besuchern gefällt dieser minimalistische Stil besser als die von Details überquellende Weihnachtsfassade, die sogar noch in Farbe sein sollte (gemäss Skizzen von Gaudí). Uns gefiel der sogenannte neokatalanische Stil nicht so sehr.
Als wir die Sagrada Familia verließen und mit der U-Bahn zum Paseo de Gracia fuhren, genossen wir die relative Ruhe. Der Rest unserer Route verlief nun etwas ruhiger. Wir haben zwei Gaudí-Häuser von außen besichtigt, la Pedrera und Casa Batlló, in denen Bauweise und Funktionalität ineinander fließen: Casa Milà wurde in den Jahren 1905 bis 1910 im Auftrag des Ehepaars Roser Segimon und Pere Milà von Antoni Gaudí gebaut. Die Windungen der Fassade, wo es keine geraden Linien gibt, fließen in die wellenförmigen Balustraden. Auch hier finden wir erneut Spiralen, Parabeln, gekrümmte Oberflächen, gar Algen!

Schließlich gelangen wir zum Häuserblock der Zwietracht oder Zankapfel, benannt nach der angeblichen Konkurrenz unter Architekten und Bauherren, welches wohl das schönste Jugendstil-Haus in dem Häuserblock ist. Gebaut zwischen 1890 und 1905 von drei verschiedenen Architekten im Auftrag von drei verschiedenen Bauherren, haben alle drei Häuser ihren eigenen Stil: Gaudí dekoriert die Fassade mit türkisen Schuppen, die einem Drachen ähneln, Puig i Cadafalch zeigt seine Bewunderung für den flämisch-gotischen Stil und Domènech i Montaner seine Bewunderung für hellenische, gotische und Renaissance-Einflüsse. Es ist von daher alles andere als eine Ecke der Zwietracht, sondern ein wunderbarer Fleck, um katalanischen Jugendstil zu genießen, dekoriert mit katalanischen Symbolen wie z. B. St. Georg und seinem erfolgreichen Kampf gegen den Drachen.

Wir beenden die Tour in Erinnerung an Sankt Georg, die Prinzessin, die Rose, und den Todestag von Shakespeare und Cervantes, es fehlen uns nur noch das Buch und die Rose, aber der 23. April ist leider schon rum. Die Tour sollte ursprünglich bis zum Palacio Güell weitergehen, aber unsere Zeit war rum. Dank der japanischen Touristen haben wir den Wert und die Besonderheit unseres katalanischen Jugendstils wiedererkannt?!

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