SERIE: Spanien heute

28.06.2009 - Barcelona für Deutsche 

Burkhard Pohl: Kino in Spanien

...Geschichte und Erinnerung
Während in Deutschland Good Bye, Lenin! und Das Leben der Anderen die Endzeit der DDR aufgriffen, versuchten in Spanien zahlreiche Filme, den Verwerfungen der franquistischen Vergangenheit nachzuspüren. Im Kontext der neu aufgeflammten
Erinnerungsdebatte in Spanien florieren weiterhin Filme mit zeithistorischem Sujet oder Hintergrund.

Das fortbestehende internationale Interesse am Bürgerkrieg hatte in den 90er Jahren der Brite Ken Loach (Land and Freedom, 1995) bestätigt, der seinerseits eine Welle von spanischen Filmen zum Thema auslöste. Die meisten Bürgerkriegs- und Franquismus-Filme greifen dabei auf ein vertrautes Modell von gut(aussehend)en Opfern, aufrechten Widerstandskämpfern und bösen Tätern zurück – so etwa in Los años bárbaros (Fernando Colomo, 1998), La lengua de las mariposas (José Luis Cuerda, 1997) oder El laberinto del fauno (Guillermo del Toro, 2006). Bei dem Mexikaner del Toro verkörpert ein durch und durch sinistrer Franco-Offizier allein die Gewalt des Systems, während die einheimische Bevölkerung ausnahmslos passiv oder widerständisch erscheint.

Anstelle einer historischen Auseinandersetzung entwerfen die Filme ein “emotionales Design” von Geschichte, das diese gleichzeitig in der Vergangenheit erstarren lässt (Sánchez Biosca 2006: 82). Soldados de Salamina (2003) von David Trueba, die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Javier Cercas, stellte insofern eine Zäsur in der Erinnerungsarbeit dar, als diese selbst ins Zentrum der Darstellung rückt: Objektive historische Erinnerung, so die These, ist letztlich unmöglich und bleibt auf den Raum subjektiver Vorstellungen verwiesen. Damit allerdings stellen sich Drehbuchautor und Regisseur gerade gegen die aktuellen Bemühungen um eine materielle Aufarbeitung der Zeitgeschichte (Ehrlicher 2005: 20).

Gleichzeitig werden der Bürgerkrieg und die Nachkriegszeit als prominente Erinnerungskontexte allmählich abgelöst. Parallel zum TV-Serienhit Cuéntame cómo pasó, der ein plötzliches Interesse an der Alltagsgeschichte der 70er Jahre in Gang brachte, begann sich das Kino thematisch auch in Richtung der jüngeren Geschichte von Spätfranquismus und demokratischem Übergang zu bewegen. Herausragendes Beispiel ist Salvador Puig Antich von Manuel Huerga, aber auch El lobo (Miguel Courtois, 2004) und kleinere Filme wie Un franco, 14 pesetas (Carlos Iglesias, 2006), eine biographisch inspirierte Studie über spanische Auswanderer, wären hier zu nennen.

Dabei ist längst nicht allen Filmen an einer historischen Kritik oder Erinnerungsarbeit gelegen. Eher bieten die 70er Jahre eine der eigenen Biographie nahe liegende Kulisse, die aus der Distanz von 30 Jahren verlacht werden kann. Sie liefern daher den ästhetischen und erzählzeitlichen Kontext mehrerer Komödien. Der distanzierte Blick auf die (nach-)franquistische Vergangenheit der 70er Jahre wird zum Akt der Selbstvergewisserung im Hier und Jetzt.

Zwei Beispiele: Torremolinos 73 (2003) von Pablo Berger gibt sich als Biopic eines vergessenen Regisseurs von Pornofilmen Anfang der 70er Jahre aus. Der Film kommt mit sehr sparsamen historischen Anspielungen aus; allein Farbe und Dekor denunzieren die Zeitumstände als altmodische, farblose Ära, die glücklicherweise überwunden ist (Pohl 2007). Ähnliches geschieht in El Calentito (2005) von Chus Gutiérrez, der auf das breite Publikum angelegten Geschichte um eine weibliche Punkband zur Zeit der Movida. Der gescheiterte Putsch Oberst Tejeros am 23. Februar 1981 dient als Anlass, den Sieg der sexuellen und individuellen Freiheit zu feiern und und mit ihr den Triumph der Demokratie über das alte Spanien...

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Walther L. Bernecker (Hg.)
Spanien heute
ISBN 978-3-86527-418-2

Erhältlich bei www.ibero-americana.net

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