TIPP: Die unentdeckten Pyrenäen - Vall de Boí

23.05.2008 - Anuschka Seifert 

Die Pyrenäen liegen zwar eine Etage tiefer als die Alpen, doch an Wildheit, an Schroffheit, an Schönheit stehen sie ihnen in nichts nach. Die meisten Wanderwege sind noch immer Geheimtipps. In unberührte Täler wie das Vall d’Àrreu, kommt man bis heute nur zu Fuß; Täler, die zeigen wie die Pyrenäen vor 40 Millionen Jahren ausgesehen haben. Noch nie wurde hier ein Baum gefällt, die hochalpine Landschaft, die Hochmoore sind intakt, hier leben Braunbären, Sperber und Gänsegeier.

Alpenbergsteiger gestehen dem Bergführer Conrad López auch schon mal, dass man die Pyrenäen gern unterschätzt. Hier befindet sich eine der spektakulärsten Bergwelten Europas. Ihre Naturschönheit lernt man am besten durch Wanderungen, Fahrradtouren und beim Abenteuersport kennen; einige Regionen sind gar nicht anders zu entdecken. “Dass man hier ganz in der Nähe auch Canyoning und mit dem Rodeokanu den Wildwasserbach „stürzen gehen“ kann, dass wissen die Wenigsten.”

Aber man braucht nicht gleich ein Draufgänger sein, um die atemberaubende Bergwelt zu genießen. Man kann auch Hirten begleiten, die ihre Schafe und Ziegen nun schon seit 7 000 Jahren hoch zu den Gipfeln bringen, mit christlichen Mönchen in die Berge ziehen, um Honigstöcke des Klosters einzusammeln. Auch tibetische Mönche meditieren hier in ihrer Gompa, die auf den Ruinen einen ehemaligen Festung der Templer errichtet wurde (Aragonien). Conrad López klettert nicht nur an Felsen und im Eis, er wandert auch mit Yoga- und Tai Chi-Schülern durch die majestätischen Berge. Große Hörner und andere Instrumente, die man sonst nur aus dem Himalaja kennt, untermalen die Stimmübungen, die zu dieser Wanderung auf den Spuren der Urklänge gehören, die Körper und Geist wieder in Einklang bringen soll.

Die einzigartige Schönheit dieser verschlossenen Berglandschaft jedoch befindet sich nicht nur draußen in der Natur und abseits der Hauptstraßen. Zu den Schätzen gehört auch das kulturelle Erbe, dass die Besucher in den Bann schlägt. Unglaubliche Fresken, die jahrhundertelang hinter Barockaltären versteckt waren: Mittelalterliche Bestien und Fabelwesen (Sant Joan de Boí) in lebhaften Blau-, Ocker- und Rottönen. Den Pantokrator (Weltherrscher), von vier Engeln umgeben mit dem fordernden und besitzergreifenden Blick, der einen bis in den letzten Winkel der Kirche (Sant Climent de Taül) verfolgt. Unter ihm eine Mutter Gottes mit der dampfenden Gralsschale.

„Im Vall de Boí gibt es auf engstem Raum mehr romanische Kirchen, als irgendwo sonst auf der Welt. In den Nachbartälern dagegen, in denen auch nur ein paar Familien wohnten, gab es nur eine einzige Kirche”, weiß die Direktorin des Centre de Romànic Anna Monsó. Die neun romanischen Kirchen sind zum Kulturwelterbe ernannt worden. Vor tausend Jahren hieß es noch: Katalonien, dass sind die Pyrenäen. ”Das kann man sich heute kaum noch vorstellen”, meint Anna.

Die Bauern aus der Tiefebene flüchteten im 8. Jahrhundert vor den Sarazenen in die wilde Gebirgslandschaft und machten sie urbar. Der hispanisch-gotische Adel stand plötzlich ohne Untertanen da, war seiner Haupteinnahmequelle beraubt und ohne Macht und Einfluss. Die Herrschaft der Sarazenen endete am Fuße der Pyrenäen. Die vielen Schätze wie die Vieh- und Holzwirtschaft und die Eisenerzminen waren für sie nicht interessant genug. Heute suchen vor allem naturverbundene, sportlich aktive und kulturinteressierte Menschen die unvergleichliche Schönheit und Stille dieser Bergwelt.

Für das Vall de Boí, wie auch für die restlichen Pyrenäentäler bedeutet der Tourismus das Ende der Landflucht, die die Bergbevölkerung bis vor kurzem um mehr als ein Drittel reduziert hatte. Tausende von jungen Leuten kehren heute nach dem Studium in ihre kleinen Heimatorte zurück und der älteste Parkranger des einzigen katalanischen Nationalparks Parc Nacional d’Aigües Tortes i Estany de Sant Maurici, der inzwischen pensioniert ist, gewöhnt sich noch immer an die immer mehr werdenden Besucher, daran, dass er sein Paradies nun teilen muss.

Auch daran, dass die Wenigsten die Murmeltiere entdecken, selbst dann nicht, wenn sie fast drauftreten und daran, dass sich bis heute Frauen auf Stöckelschuhen bis hierher verirren. Joan betrachtet die Menschen aus der Stadt mit Humor, manchmal mit schwarzem. Doch ohne ihn gäbe es die eine oder andere Orchideenart wie das Kohlröschen und das gefleckte Knabenkraut nicht mehr und so mancher hätte sich schon mit gelbem Pyrenäen-Eisenhut vergiftet, wenn Joan ihn nicht in letzter Sekunde beim verbotenen Pflücken erwischt hätte.

Parc Nacional d’Aigües Tortes i Estany de Sant Maurici
Der wasserreiche Nationalpark begeistert im Sommer vor allem Wanderer und im Winter Skifahrer mit Familie, die eine ruhige und persönliche Atmosphäre bevorzugen. Die Umgebung bietet eine attraktive Mischung aus weltberühmten romanischen Kirchen, verwunschenen Steinunterkünften, einem bekannten Kurhaus und einem sehr versteckten Planetarium und einem Öko-Museum. Der Nationalpark ist von zwei Seiten aus zugänglich. Im Süden vom Boí-Tal (www.vallboi.com) aus (Landkreis Alta Ribagorça, www.ribagorca.com) gelangt man schnell nach Aigües Tortes und im Norden vom Espot-Tal (Pallars Sobirá, http://pallarssobira.ddl.net) zum See Estany de Sant Maurici. Man kann den Nationalpark auch über einen Pass von einem ins andere Tal überqueren. Berghütten sind vorhanden, sollten aber rechtzeitig gebucht werden. 

Hervorragend organisiert ist übrigens das Fremdenverkehrsamt der Diputació von Lleida. Interessante Website, Gute Broschüren, etc. Patronat de Turisme de les Terres de Lleida: Rambla Ferran, 18, 3r pis; 25008 Lleida; Tel.: 902 101 110; SMS 973 900 900, lleidatur@lleidatur.com, www.lleidatur.com

Parc Nacional d’Aigües Tortes
CASA DEL PARC NACIONAL DE BOÍ
Vorabinformation im Haus des Naturschutzparks: Ausstellungen, Wanderrouten, Schneeschuhe, Transport in den Nationalpark, etc.
Casa del Parc Nacional de Boí, Ca de Simamet, Carrer de les Graieres 2, Boí, Tel.: 973 696 189. http://mediambient.gencat.net/esp/el_medi/parcs_de_catalunya/aiguestortes

Fremdenverkehrsamt
Information zum Tal. Die jungen Frauen sind hervorragend organisiert und haben gute Tipps auch für Wanderungen außerhalb des Nationalparks.
Patronat de la Vall de Boí, Passeig de Sant Feliu 43, Barruera, T. 973 694 000, www.vallboi.com

Thermalbad
Caldes de Boí, Afores s/n. Caldes de Boí Tel.: 973 696 210, www.caldesdeboi.com

Sportmöglichkeiten

Escola Catalana d´Esports de Muntanya (ECEM)
Diese Schule für Bergsport mit hervorragend ausgebildetem, umweltbewusstem Personal bietet folgende Aktivitäten an: Tourenski, Klettern, Bergsteigen, Trekking, Wandern (auch Schneewanderungen) und Canyoning.
Der Gründer dieser Schule, Conrad López, der seit 1987 in den Pyrenäen arbeitet, ist auch Experte für Eisklettertouren und hat ein Buch zum Thema herausgebracht. Das neuste Projekt ist eine sechstägige Stimmwanderung, die er in Zusammenarbeit mit dem international bekannten Musiker und Obertonsänger Thomas Clements (http://t.clements.free.fr) organisiert. Mit Clements findet man während der Wanderung zu den Gesängen zurück, die den Menschen einst mit dem harmonischen Tanz von überwirklichen Welten verbanden.
Barri d'Aragó s/n, 25520 Pont de Suert, Tel. : 973 690 831,
ecem@wanadoo.es, www.emcat.net

Guies de Muntanya Taüll
Dieses kleine Unternehmen mit familiärem Ambiente bietet Wanderungen im Nationalpark an, auch mehrere Tage, Reservierungen in den Berghütten inklusive. Wenn man Toni Gonzalez früh genug anruft, organisiert er sogar eine Bergtour mit deutschem Übersetzer.
Tel.: 973 696 142, 696 084 852, www.guiesmuntanyataull.com 

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